Haiti nach dem Beben:Zehn Milliarden Dollar für den Aufbau Haitis nötig

Eine Woche nach dem Erdbeben in Haiti wird allmählich das volle Ausmaß der Katastrophe deutlich: Die Regierung geht inzwischen von 200.000 Toten aus, der Präsident des Nachbarlandes fordert zehn Milliarden Dollar für den Wiederaufbau. Der Überlebenskampf der Opfer wird trotz Hilfslieferungen immer härter.

Das Ausmaß der Katastrophe in Haiti wird sieben Tage nach dem verheerenden Beben langsam deutlich. Die haitianische Regierung rechnet mittlerweile mit 200.000 Todesopfern. Die internationale Hilfe dringt immer mehr zu den Opfern durch, riesige Zeltstädte für die weit mehr als eine Million Obdachlosen sollen errichtet werden.

Haiti, AP

Die Vereinten Nationen verteilen Pakete mit Nahrungsmitteln und Medikamenten.

(Foto: Foto: dpa)

Doch der Überlebenskampf Hunderttausender Opfer wird trotz der Hilfe immer härter. In der Hauptstadt Port-au-Prince und vielen kleineren Städten im Land ist der Großteil der Gebäude beschädigt oder zerstört, die Strom- und Wasserversorgung zusammengebrochen.

In Port-au-Prince gab es nach Angaben von Ärzten die ersten Opfer gewaltsamer Auseinandersetzungen. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete von Menschen mit Schuss- und Stichverletzungen.

Obwohl die humanitäre Hilfe nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms (WFP) von Tag zu Tag besser organisiert ist, gingen viele Menschen leer aus und machten ihrem Zorn Luft. Der Flughafen und die Zugangsstraßen zur Hauptstadt waren nach Angaben des UN-Koordinationsbüros für humanitäre Hilfe (OCHA) jedoch weiter völlig überlastet.

Retter im Katastrophengebiet berichten weiter über große Not und Szenen der Verzweiflung. Manchen Verletzten würden zerquetschte Gliedmaßen auf offener Straße amputiert, schilderte ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Am Vortag habe ein umgefallener Baumstamm als OP-Tisch gedient. "Es gibt keine Alternative, es ist eine Entscheidung zwischen Leben und Tod."

Im Video: Sechs Tage nach dem Erdbeben in Haiti suchen Plünderer die Läden heim, Anarchie macht sich breit. Der Karibikstaat ist auf ausländische Hilfe angewiesen. Weitere Videos finden Sie hier

Besonders gefährdet sind nach Angaben des Kinderhilfswerks Terre des Hommes Tausende traumatisierte Kinder, die allein durch die Straßen irrten. In Kinderheimen sei die Lage katastrophal, berichteten Helfer. Das Kinderhilfswerk warnte auch vor Kinderhändlern und Schleppern. Die würden erfahrungsgemäß Notlagen wie jetzt in Haiti ausnutzen.

Der Präsident der benachbarten Dominikanischen Republik, Leonel Fernández, schätzt die Kosten für die Unterstützung der Überlebenden und den Wiederaufbau Haitis in den kommenden fünf Jahren auf zehn Milliarden Dollar.

Nach einem Treffen mit dem haitianischen Präsidenten René Préval schlug Fernández die Gründung eines internationalen Komitees vor, das den Wiederaufbau überwachen solle. Die Hilfsmilliarden könnten aber nur effektiv eingesetzt werden, wenn das Programm "international abgestimmt" und "in Haiti zielgerichtet und geplant" eingesetzt werde, warnte Fernández.

US-Präsident Barack Obama schlug seinem brasilianischen Kollegen Luiz Inácio Lula da Silva vor, gemeinsam mit den USA und Kanada die Führung beim Krisenmanagement der humanitären Hilfe für Haiti zu übernehmen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, er habe den Weltsicherheitsrat um eine Verstärkung der Friedenstruppe in Haiti gebeten. Die Zahl der Blauhelmsoldaten müsse von derzeit 7000 auf 9000 Soldaten aufgestockt werden, anstelle der gegenwärtig rund 2100 internationalen Polizisten würden 3600 benötigt. Die USA flogen derweil weitere Truppen in das Katastrophengebiet, bis zum Montagabend (Ortszeit) sollte ihre Zahl nach Angaben eines Militärsprechers auf 12.000 anwachsen.

Der deutsche Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) mahnte unterdessen mehr Tempo bei der Versorgung der Erdbebenopfer an. Niebel sagte der Saarbrücker Zeitung, bislang habe die internationale Hilfe erst einen Bruchteil der betroffenen Haitianer erreicht. "Dies muss in den nächsten Tagen dringend ausgeweitet werden." Die Bundesregierung hatte 7,5 Millionen Euro an Soforthilfe für die Menschen in Haiti bereitgestellt.

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