Hai-Attacken :"Greifen Sie nach den Augen"

Mick Fanning of Australia is seen shortly before being attacked by a shark during the finals of the J-Bay Open in Jeffrey's Bay

Gefahr im Verzug: Der Surfer Mick Fanning ahnt noch nicht, dass ihn gleich ein Hai attackieren wird, der bereits hinter ihm ist.

(Foto: World Surf League/Reuters)

Mick Fanning sitzt auf einem Surfbrett und wartet auf die perfekte Welle - doch dann sieht er eine große graue Flosse. Den Hai-Angriff überlebt er unverletzt. Nimmt die Zahl der Attacken zu? Und was kann man im Notfall tun?

Von Marc Felix Serrao

Das Video lässt selbst Landratten erschauern. Der australische Surfprofi Mick Fanning sitzt am Wochenende vor der Küste Südafrikas bei einem live im Fernsehen übertragenen Wettbewerb auf seinem Brett und wartet auf die nächste Welle. Plötzlich taucht hinter ihm eine große graue Rückenflosse auf. Der 34-Jährige schlägt um sich, dann fällt er vom Board. Sofort eilen Jetskis herbei. Nach endlos erscheinenden Sekunden wird der Surfer aus dem Wasser gezogen. Unverletzt. "Er kam und verfing sich in meiner Fußleine", sagt Fanning später vor der Kamera. "Ich rechnete damit, dass er mich beißen würde, und schlug auf seinen Rücken ein." Sehr wahrscheinlich hat diese Reaktion den Sportler gerettet (hier ein Video von dem Vorfall). Experten empfehlen, sich im Falle eines Angriffs beherzt zur Wehr zu setzen. "Man sollte nicht passiv reagieren", heißt es bei der International Shark Attack File (ISAF). Die Datenbank des Naturgeschichtlichen Museums der Universität von Florida wertet Hai-Angriffe auf Menschen aus.

Die ISAF rät, einem Hai im Falle des Falles kräftig auf die Nase zu schlagen, am besten mit einem harten Gegenstand. Das führe in der Regel dazu, dass das Tier die Attacke "vorübergehend" abbreche. In der Zeit sollte man versuchen, aus dem Wasser zu kommen. Und wenn der Hai zubeißt? "Greifen Sie nach den Augen oder Kiemen, beide Bereiche sind empfindlich."

130 "Interaktionen" zwischen den Raubfischen und Menschen haben Experten 2014 gezählt

Die Zahl "nicht provozierter Angriffe" nimmt nach Angaben der ISAF seit Jahrzehnten zu (provozierte Angriffe sind demnach solche, bei denen Taucher Tiere absichtlich berührten oder Fischer beim Leeren ihrer Netze gebissen werden). Von den 130 im vergangenen Jahr weltweit aufgezeichneten "Interaktionen" zwischen Raubfisch und Mensch seien 72 nicht provoziert gewesen. Michael Stachowitsch, Meeresbiologe der Universität Wien, geht zudem davon aus, dass viele Angriffe statistisch gar nicht erfasst würden, etwa in Afrika oder Südamerika.

Fachleute wie er betonen aber, dass der Anstieg der Attacken keineswegs ein Beleg dafür sei, dass die Tiere aggressiver würden. Die Ursache sei vielmehr die wachsende Zahl von Wassersportlern weltweit: "Immer mehr Menschen machen Urlaub am Wasser, und das in immer entlegeneren Regionen. Damit steigt der Grad der Exponiertheit an." Der Wissenschaftler warnt vor Hysterie. "Nicht die Haie sind eine Gefahr für uns Menschen, sondern umgekehrt. Wir schlachten jährlich Millionen von ihnen ab." Es sei wesentlich wahrscheinlicher, "dass wir bei einem Unfall in der Badewanne ums Leben kommen, als von einem Hai gebissen zu werden".

Die meisten nicht provozierten Angriffe ereignen sich laut ISAF an den Küsten Nordamerikas. 2014 seien dies 45 Vorfälle gewesen. Am stärksten betroffen sei Florida. Im Rest der Welt folgen Australien (elf Angriffe) und Südafrika (zwei). In den übrigen Ländern, darunter Japan und Spanien, wurde jeweils eine Attacke registriert.

In ihrer Auswertung betonen die ISAF-Experten auch die relativ geringe Zahl tödlich verlaufener Angriffe. 2014 seien das nur drei gewesen, zwei in Australien und ein Fall in Südafrika. Auch das entspreche dem Langzeittrend: Während die Zahl der Angriffe seit Jahrzehnten steige, nehme die Zahl der Todesfälle ab. Der Hauptgrund seien bessere Sicherheitsmaßnahmen an Stränden, vor allem in den USA.

Im Wasser werden Surfer und andere Board-Sportler mit Abstand am häufigsten angegriffen, meldet ISAF. Das habe wohl mit den heftigen Bein- und Handbewegungen zu tun. Oft heißt es auch, Haie verwechselten Surfer mit Robben.

Mick Fanning, der Surfer aus dem Video, habe auf jeden Fall "viel Glück" gehabt, sagt Meeresbiologe Stachowitsch. Wie eine Hai-Attacke verlaufe, hänge von vielen Faktoren ab, "auch davon, wie hungrig das Tier ist".

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