Süddeutsche Zeitung

Nordrhein-Westfalen:Fünfjähriger aus verwahrloster Wohnung gerettet

Nachbarn hatten den Jungen auf dem Dach des viergeschossigen Hauses in Hagen gesehen. Er hatte offenbar eingeschlossen in seinem Kinderzimmer gelebt. Nach der Rettung unterläuft den Behörden ein Fehler.

Ein fünfjähriger Junge ist von der Polizei in Hagen aus verwahrlosten Lebensumständen geholt worden. Nachbarn hätten das Kind am Sonntagmorgen auf dem Dach und in der Dachrinne eines viergeschossigen Hauses klettern sehen, teilte die Polizei am Dienstag mit. Als die Beamten eintrafen, war der Junge durch das Fenster bereits wieder in sein Zimmer gelangt. Er habe offenbar eingeschlossen im Kinderzimmer gelebt, in dem sich nur eine Matratze und ein Eimer für seine Notdurft befanden.

Das Kind sei äußerlich unverletzt gewesen, schilderte der Sprecher auf dpa-Anfrage. Die Stadt bestätigte, es seien bislang keine gesundheitlichen Auffälligkeiten bei dem Kind zurückgemeldet worden. Zur weiteren Abklärung werde es bei der Kinderschutzambulanz vorgestellt.

Als die Beamten eintrafen, öffneten Mutter und Stiefvater die Wohnungstür. Sie schlossen die Kinderzimmertür auf, wo die Polizei auf den Fünfjährigen stieß. "Die Gesamtumstände, die Zustände in der Wohnung und in dem Zimmer veranlassten die Beamten, das Jugendamt zu rufen." Eine Mitarbeiterin des Amts habe sich selbst ein Bild von der Lage gemacht und das Kind in einer städtischen Einrichtung untergebracht.

Jugendamt schickt Jungen zurück zur Mutter

Gegen die 22 Jahre alte Mutter wird nun wegen Freiheitsberaubung und Verletzung der Fürsorgepflicht ermittelt. Medienberichten zufolge soll sie den Jungen von der Kita abgemeldet haben. Nachbarn hätten berichtet, dass der Fünfjährige wiederholt um Essen gebeten habe. Dazu äußerte sich die Polizei nicht. Die Mutter wurde nicht festgenommen. Gegen den Stiefvater, der auch in der Wohnung lebt, wird laut Polizei nicht im Zusammenhang mit dem Jungen ermittelt. Er wurde aber angezeigt, weil im Dachgeschoss des Hauses einige Cannabispflanzen gefunden wurden.

Wie die Stadt am Dienstagnachmittag mitteilte, wurde der Junge am Montag wieder zur Mutter zurückgebracht. Der Grund war offenbar eine Fehleinschätzung der Fachkraft des Jugendamtes, die die Familie seit längerer Zeit betreute, sowie ihres Vorgesetzten.

Der Fall wird nun verwaltungsintern aufgearbeitet und dienstrechtlich überprüft. Der Junge sei am Dienstagmorgen in Kenntnis der Fehleinschätzung erneut in Obhut genommen worden. Dies sei - wie schon die erste Inobhutnahme am Sonntag - im Einvernehmen mit der Mutter passiert, hieß es. "Die Stadt Hagen bedauert die beschriebenen Ereignisse rund um das betroffene Kind sehr", hieß es in einer Mitteilung der Stadt.

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