Haftbefehl für Roman Polanski:Endstation Zürich

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Warum jetzt? Roman Polanski ist wegen einer Tat von 1978 in der Schweiz festgenommen worden. Denn: Die Schweiz hat mit den USA ein Auslieferungsabkommen.

Thomas Kirchner

Gibt es einen bedeutenden Filmpreis, der Roman Polanski noch nicht verliehen worden ist? Im Nachhinein wird sich der Regisseur wohl fragen, ob er auf das "Goldene Auge" nicht besser verzichtet hätte, das ihm das eher weniger bekannte Zürcher Filmfestival am Sonntagabend für sein Lebenswerk verleihen wollte. Andererseits: Warum hätte er sich fürchten sollen vor der Schweizer Justiz? Er fährt seit Jahrzehnten im Winter Ski in Gstaad, manchmal ist er monatelang in seinem Chalet "Le Walusha". Dass ihn die Zürcher Polizei am Samstagabend festnehmen würde, aufgrund eines Haftbefehls der USA aus dem Jahr 1978, damit konnte er nicht rechnen.

Nun sitzt der 76-Jährige in Auslieferungshaft am Flughafen Zürich, und die Schweiz ist mal wieder im Blickpunkt der Welt. Ausgerechnet sie hat den berühmten Regisseur zur Strecke gebracht, der seit 31 Jahren von den USA gesucht wird, weil er 1977 in der Villa von Jack Nicholson eine 13-Jährige mit Alkohol und Drogen gefügig gemacht und zum Sex gezwungen hat.

Polanski, gebürtiger Pole und seit 1975 französischer Staatsbürger, hatte sich schuldig bekannt. Er kam sechs Wochen ins Gefängnis und stand unter psychiatrischer Beobachtung. Kurz vor der Urteilsverkündung Ende Januar 1978 floh er nach Frankreich, weil ihm eine längere Haftstrafe drohte. Sex mit Minderjährigen wird in den USA als Vergewaltigung eingestuft. Seit damals hat er die Vereinigten Staaten nicht mehr betreten, nicht einmal zur Verleihung des Regie-Oscars für den "Pianisten" kam er 2003 nach Los Angeles.

"Groteske Justizposse"

Die Schweizer Filmszene kann kaum fassen, was nun passiert ist. Das Vorgehen der Behörden sei nicht nur eine "groteske Justizposse, sondern auch ein ungeheuerer Kulturskandal", schäumt der Verband der Regisseure, der Verband Filmregie und Drehbuch spricht von einer "Ohrfeige ins Gesicht aller Kulturschaffenden der Schweiz". Frankreichs Kulturminister Frédéric Mitterrand erklärte, er sei "wie vom Donner gerührt".

In Frankreich, wo Polanski wohnt, und in Europa konnte er sich frei bewegen, nur nach England traute er sich nicht. Sein Opfer Samantha Gailey hat ihm verziehen. Nachdem ein TV-Film auf Justizfehler im ursprünglichen Verfahren hingewiesen hatte, beantragte der Regisseur im Frühjahr, das Verfahren zu beenden. Das wurde abgelehnt, weil er nicht in die USA reisen wollte, wo ihm die Verhaftung drohte.

Weltweiter US-Haftbefehl

Warum also hat die Schweiz nun zugegriffen? Die Schweizer Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagte am Sonntagabend, rechtsstaatlich sei dies der einzig gangbare Weg gewesen. Polanski sei seit 2005 von Interpol ausgeschrieben, und die Schweiz habe mit den USA ein Auslieferungsabkommen. Aber warum gerade jetzt, wo Polanski doch so oft in Gstaad war, die bunten Blätter zeigten regelmäßig Bilder? Es sei das erste Mal seit Ausstellung des weltweiten US-Haftbefehls gewesen, dass Polanski angekündigt habe, in die Schweiz zu reisen, so Widmer-Schlumpf. Es gebe keinen Grund, ihn anders als andere zu behandeln. Vergewaltigung verjähre nicht. Der Regisseur könne alle rechtlichen Mittel gegen seine Verhaftung ausschöpfen.

Laut Los Angeles Times hatte die US-Justiz die Aktion schon längere Zeit vorbereitet. Zweifel bleiben. Offensichtlich haben die USA auch kräftig Druck gemacht in der Angelegenheit. Besteht etwa ein Zusammenhang mit dem Steuerstreit, der zwar für die Schweizer Großbank UBS in einem glimpflichen Vergleich endete, aber noch lange nicht beendet ist? Hat die Schweiz ein Zeichen des guten Willens gegeben? Widmer-Schlumpf verneint jeglichen Druckversuch. Ein Politiker der Schweizerischen Volkspartei hingegen sprach von "Hinweisen", dass die Schweiz als verlängerter Arm der US-Justiz gehandelt habe.

© SZ vom 28.09.2009 /abis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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