Häusliche Gewalt:Alex lebt im Frauenhaus

Folgen von Stress (Symbolbild)

Ins Frauenhaus flüchten und den Sohn alleie lassen? Für manche Mütter keine Option.

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Die wenigsten Frauenhäuser nehmen ältere Jungs mit auf. Für Mütter mit pubertierenden Söhnen ist das ein echtes Problem.

Von Lisa Schnell

Alex ist 14 Jahre alt und lebt mit vier fremden Frauen zusammen. Er kennt sie eigentlich nicht, aber er teilt sich mit ihnen die Dusche, die Toiletten, die Küche. Von zuhause konnte er nur seinen Schulranzen und ein paar Fotos mitnehmen. Mit seiner Mutter schläft er in einem Stockbett wie im Schullandheim, nur dass Alex nicht mehr nach Hause kann.

Alex lebt im Frauenhaus. Das kleine Zimmer, die fremden Möbel, die Enge, die Nähe zu seiner Mutter, das findet er alles nicht so schlimm. Er ist immerhin sicher. Hier gibt es keinen trinkenden Stiefvater, der seine Mutter beschimpft. Damit er ihn nicht findet, hat Alex wie alle in dieser Geschichte einen anderen Namen.

Frauenhäuser halten alles geheim, ihre Adresse, ihre Bewohner, ihre Mitarbeiter. Sie sind ein Schutzraum, in dem Frauen und ihre Kinder endlich sicher sein sollen. Oder besser: Oft ein Schutzraum für Frauen und ihre weiblichen Kinder.

Jungs wie Alex, die über 13 Jahre alt sind, werden nur von wenigen Frauenhäusern aufgenommen. Weil Männer in Frauenhäusern einfach nichts zu suchen haben, sagen manche. Aber meistens, weil es für sie dort oft keinen Platz gibt. Nur selten gibt es eigene Wohnungen für Frauen mit Jungs in der Pubertät.

Bei Alex haben die Hormone noch nicht ihr Werk getan. In seinem Ringel-Pulli mit den dünnen Ärmchen und den schmalen Schultern sieht er noch aus wie ein Kind, nicht wie ein Mann. So eng mit vier fremden Frauen auf einem Raum aber, das ist auch für ihn komisch. Sein größter Alptraum ist es, dass er eine von ihnen ausversehen in der Dusche antrifft. Er weiß, dass sie mit Männern nur Schläge und Schrecken verbinden. Am liebsten ist er alleine, kommt eine Frau ins Zimmer, geht er meistens.

Nur, was ist wenn seine Schultern breiter werden und seine Stimme tiefer? So wie bei Luan. Er war 15, als seine Mutter ins Frauenhaus ging. Luan blieb zu Hause, war schon zu viel Mann für ein Frauenhaus. Für seine Mutter aber war er noch so viel Kind, dass sie ihn nicht alleine lassen konnte. Nach fünf Wochen, den fünf besten Wochen in ihrem Leben, wie sie sagt, kam sie wieder zurück. Zurück zu ihrem Jungen, aber auch zu ihrem Mann, zu den Streits, dem Psychoterror.

Luan fragt sich, ob alles anders gekommen wäre, wenn er mitgehen hätte können ins Frauenhaus. Wenn es dort für jemandem wie ihn, der noch nicht Mann aber auch nicht mehr Kind ist, einen Platz gegeben hätte.

Hinweis: Die Namen der beiden Jungen wurden von der Redaktion geändert.

Süddeutsche Zeitung Familie
SZ Familie

Dieser Text stammt aus dem Magazin SZ Familie.

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