SZ-Kolumne "Bester Dinge":Kahle Solidarität

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(Foto: Oliver Zahn)

Wie sich ein achtjähriges Mädchen aus Mitgefühl zu einem Mitschüler den Kopf komplett rasieren ließ.

Von Michael Neudecker

Das Mitgefühl ist von Anfang an da, es ist dem Menschen angeboren, aber ob daraus auch echte Empathie erwächst, liegt an verschiedenen Faktoren, sogenannten äußeren Einflüssen. Ähnlich verhält es sich mit dem Haar: wie schnell es wächst, an welchen Stellen des Kopfes und wie lang, auch das hat der Mensch nicht in der Hand. Gesegnet sind diejenigen, denen beides im Überfluss zur Verfügung steht, Menschen wie Eva-Luna, acht Jahre alt, aus Berkeley, Kalifornien. Auf Fotos sieht man ihre dunklen Haare, beneidenswert wuschelig, aber das sind die Vorher-Fotos.

Vor Kurzem sei sie von der Schule nach Hause gekommen, berichtete ihre Großmutter der SZ, und habe von einem Jungen erzählt, der sich die Haare abrasiert habe - einfach, weil er es schön fand. Die anderen Kinder aber hätten ihn wegen seines kahlen Kopfes ausgelacht, gehänselt, das habe sie sehr beschäftigt. Empathie und Solidarität liegen manchmal nah zusammen, Eva-Luna beschloss, ihr Haar ebenfalls abzurasieren, komplett, wie der Junge. Im Durchschnitt wachsen Kopfhaare beim Menschen zwölf Millimeter pro Monat, nicht gerade viel, aber der Vater, ein in München geborener Astrophysiker, tat, was zu tun war: Er schor der Tochter den Schädel, und sich selbst seinen eigenen gleich mit.

Auf den Nachher-Fotos lächelt Eva-Luna so fröhlich wie auf den Vorher-Fotos, nur dass statt des Wuschelkopfes da ein Glatzkopf ist. Sie sei sehr stolz auf ihre Enkelin, berichtet die Großmutter, ihr Vater schreibt in einer E-Mail, es beeindrucke ihn, wie seine Tochter andere inspiriere. Und der Junge: Der habe sich gefreut, denn es habe ihn niemand mehr gehänselt.

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