Urteil in Essen:Mehrjährige Haftstrafen für Gruppenvergewaltiger im Ruhrgebiet

Gruppenvergewaltigung von Schülerinnen: Urteil geplant

Vor dem Landgericht Essen wird eine Gruppenvergewaltigung im Ruhrgebiet verhandelt: Die Aufnahme zeigt einen der Angeklagten während eines Prozesstages im Juli.

(Foto: Marcel Kusch/dpa)
  • Nach einer Serie von Gruppenvergewaltigungen an Schülerinnen im Ruhrgebiet hat das Landgericht Essen fünf junge Männer verurteilt. Sie erhalten mehrjährige Jugend- und Haftstrafen.
  • In dem Prozess ging es um insgesamt zwei versuchte Vergewaltigungen - und vier vollendete.
  • Die Männer hatten die Mädchen unter Vortäuschung eines Dates in eine Falle gelockt und missbraucht.

Aus dem Gericht von Benedikt Müller, Essen

Es ist das eine Muster, das die jungen Männer aus dem Ruhrgebiet ausgeklügelt und grausam perfektioniert haben sollen: Einer der fünf verabredet sich mit einem Mädchen zu einem scheinbar harmlosen Date, holt sie mit dem Auto ab. Im Laufe der Fahrt steigen ein paar der anderen Angeklagten zu, es wird allmählich dunkel. Das Fahrzeug hält auf einem Feld oder in einem Wald im Süden Essens, wo sich die Opfer kaum auskennen. Unter einem Vorwand nimmt einer der mutmaßlichen Täter dem Mädchen das Smartphone weg. Dann beginnt die Nötigung, die einer der Angeklagten jüngst mit den Worten umriss: "Wenn du mit uns Geschlechtsverkehr hast, dann geben wir dir das Handy zurück."

Das Landgericht Essen hat die fünf Männer, zwischen 17 und 24 Jahre alt, am Montag zu mehrjährigen Jugend- und Haftstrafen verurteilt. Mit sechs Jahren und drei Monaten erhält der Angeklagte Gianni H. die Höchststrafe. Der Jüngste in der Gruppe bekommt eine Strafe von fünf Jahren. Nuri E. und Dean Martin L. erhalten beide jeweils vier Jahre Haft. Enrico F. drei Jahre und neun Monate.

Die Anklage zählte seit dem Sommer 2016 zwei versuchte Vergewaltigungen - und vier vollendete. Die Ermittler gehen davon aus, dass sich die Straftaten über Stunden hinzogen. Alle Opfer waren zu dem Zeitpunkt zwischen 16 und 18 Jahre alt. Das Gericht sprach in seinem Urteil von "scheußlichen Taten".

Die Staatsanwaltschaft hatte vor drei Wochen mehrjährige Haftstrafen für alle fünf Angeklagten gefordert. Sie warf den jungen Männern, die der Gruppe der Sinti angehören, ein "perfides Verhalten" vor. Für den jüngsten Täter forderte die Anklage eine Jugendstrafe von sieben Jahren und neun Monaten. Im Fall des 20-jährigen Nuri E., der bereits zum Prozessauftakt ein Geständnis abgelegt hatte, plädierte Staatsanwältin Rebecca Henrich auf fünfeinhalb Jahre Gefängnis.

Am letzten Verhandlungstag vor der Urteilsverkündung sagten die Angeklagten, dass sie ihre Taten bedauern würden. Manche der mutmaßlichen Täter haben bereits angekündigt, dass sie den Mädchen bis zu 10 000 Euro zahlen möchten, als Anzahlung auf ein Schmerzensgeld. Die Verteidiger forderten in der vorvergangenen Woche Haftstrafen von etwa drei Jahren; manche stellten das Strafmaß auch ausdrücklich in das Ermessen der Richter.

Die Ermittler hatten ihre Erkenntnisse Anfang des Jahres öffentlich gemacht. Damals suchten sie noch nach einzelnen Tätern und weiteren Opfern. Die mutmaßlichen Taten haben Entsetzen im ganzen Ruhrgebiet ausgelöst. Die Angeklagten fuhren die Mädchen nach eigenen Angaben nach den sexuellen Übergriffen wieder nach Hause, gaben ihnen die Handys zurück, wollten gar den Kontakt zu ihren Opfern halten. Die Ermittler mussten letztlich nur die Chat-Verläufe bei Whatsapp auswerten, wo die mutmaßlichen Täter alles abgesprochen hatten.

Anmerkung der Redaktion

In der Regel berichtet die SZ nicht über ethnische, religiöse oder nationale Zugehörigkeiten mutmaßlicher Straftäter. Wir weichen nur bei begründetem öffentlichen Interesse von dieser im Pressekodex vereinbarten Linie ab. Das kann bei außergewöhnlichen Straftaten wie Terroranschlägen oder Kapitalverbrechen der Fall sein oder bei Straftaten, die aus einer größeren Gruppe heraus begangen werden (wie Silvester 2015 in Köln). Ein öffentliches Interesse besteht auch bei Fahndungsaufrufen oder wenn die Biografie einer verdächtigen Person für die Straftat von Bedeutung ist. Wir entscheiden das im Einzelfall und sind grundsätzlich zurückhaltend, um keine Vorurteile gegenüber Minderheiten zu schüren.

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