Süddeutsche Zeitung

Gruppenvergewaltigung in Freiburg:AfD-Sympathisanten und -Gegner gehen auf die Straße

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Ab 18 Uhr, so hatten es die Verkehrsbetriebe in Freiburg an diesem Montag angekündigt, stehen die Trambahnen in der Innenstadt still. Am Bertoldsbrunnen, dort, wo sonst mehrere Straßenbahnlinien aufeinandertreffen, könnte es am Abend womöglich kritisch werden, befürchtet die Polizei. Auf Bildern, die die Badische Zeitung veröffentlicht hat, sieht man, wie sie sich für den Abend rüstet. Berittene Einheiten, Mannschaftswagen. Gleich drei Demonstrationen sind für den frühen Abend angekündigt. Mitten in der Innenstadt, am Bertoldsbrunnen, könnten die Gruppen aufeinandertreffen.

Ein schweres Verbrechen erschüttert die Stadt in diesen Tagen. Eine Gruppe von Männern soll nach einem Diskobesuch Mitte Oktober eine Frau vergewaltigt haben. Möglicherweise wurde der Studentin etwas ins Getränk gemischt, im Blut des Opfers wurde ein berauschendes Mittel nachgewiesen. Die Frau gab an, von einem Mann ein Getränk angenommen zu haben und später in wehrlosem Zustand in einem Gebüsch missbraucht worden zu sein.

Acht Verdächtige hat die Polizei festgenommen. Sechs davon sind Syrer, einer wird bei den Behörden als Iraker geführt, bezeichnet sich aber ebenfalls als Syrer, einer hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Details zu Tathergang und Tatbeteiligung der einzelnen Männer ermittelt die Polizei gerade. Möglicherweise waren noch mehr Männer an der Tat beteiligt.

Am Montag wird bekannt, dass gegen einen der Männer zum Zeitpunkt der Vergewaltigung bereits ein Haftbefehl wegen einer anderen Straftat bestand. Er hätte also in Gewahrsam sein können. Doch der Haftbefehl wurde zunächst "aus ermittlungstaktischen Gründen", wie es von der Polizei heißt, nicht vollstreckt.

Das ist die Gemengelage, in der die AfD zu ihrer Demonstration aufgerufen hat. Ein baden-württembergischer Landtagsabgeordneter der Partei ist der Initiator. Auch die Jugendorganisation der Partei in der Region Freiburg beteiligt sich, genauso wie das Bündnis "Kandel ist überall", jene rechtsgerichtete Gruppierung, die in der rheinland-pfälzischen Stadt monatelang zu Kundgebungen aufgerufen hatte, nachdem dort ein 15-Jähriges Mädchen in einem Drogeriemarkt von ihrem Ex-Freund, einem Afghanen, erstochen worden war. In der rechten Szene werden Proteste an den Schauplätzen von Taten, bei denen Asylbewerber verdächtig sind, häufig über soziale Medien organisiert. Zu entsprechenden Kundgebungen reisen Aktivisten zum Teil von weit her an.

Die AfD-Sympathisanten sammeln sich in Freiburg am Martinstor, am südlichen Rand der Altstadt, doch kurz nach 18 Uhr, als die Demo langsam beginnen soll, haben sich, wie die Badische Zeitung schreibt, erst wenige Dutzend Teilnehmer eingefunden. Später werden es zwischen 300 und 500 sein, wie die Polizei meldet.

Freiburg kennt die Anspannung nach solchen Taten bereits

Die Zahl der Gegendemonstranten ist höher. Auf Fotos sieht man einen großen Menschenauflauf am Bertoldsbrunnen. Ein früherer Stadtrat und der stellvertretende Vorsitzende des Freiburger Migrantenbeirates haben jeweils zu Protesten gegen die Veranstaltung der AfD aufgerufen. Insgesamt 1500 Teilnehmer kommen nach Angaben der Polizei zusammen. Die Beamten halten die beiden Gruppen auseinander. Allerdings muss der AfD-Zug über eine andere Strecke umgeleitet werden, nachdem Gegendemonstranten ihn auf der geplanten Route blockiert haben.

Freiburg, eine Stadt mit einer ausgeprägten linksalternativen Szene, kennt die angespannte Stimmung bereits, die nach derartigen Verbrechen die Stadt erfasst. Im Herbst 2016 wurde eine Studentin auf dem Heimweg überfallen, vergewaltigt und getötet. Der Täter, ein Asylbewerber aus Afghanistan, wurde im März dieses Jahres zu lebenslanger Haft verurteilt.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die Sicherheitslage in Freiburg solle nach dem Verbrechen in der Diskothek noch einmal geprüft werden. Er sei persönlich mit dem parteilosen Oberbürgermeister Martin Horn und dem Polizeipräsidium in engem Kontakt, sagte Strobl. Horn sprach sich gegen eine Instrumentalisierung der Tat aus: "Den Wunsch für mehr Sicherheit in Freiburg finde ich legitim, aber die politische Instrumentalisierung ist sehr schade und schlecht."

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