Großbritannien:Verkleidete Pizza-Fahrer

A Deliveroo scooter driver takes a break between deliveries in London

Ein Deliveroo-Fahrer in London.

(Foto: Simon Dawson/Reuters)

In England häufen sich die Angriffe auf Lieferservice-Fahrer, die mit Mopeds unterwegs sind. Die Londoner Polizei hat nun eine neue Strategie präsentiert.

Von Cathrin Kahlweit, London

Sogar der Innenminister hat es selbst erlebt: "Es ging alles so schnell, von einer Sekunde zur anderen war es weg." Sajid Javid hat am Wochenende empört berichtet, dass auch er unlängst Opfer von Handy-Räubern geworden sei. Als er eine U-Bahn-Station in Nord-London verließ, so der Politiker, habe er sein Handy aus der Jacke geholt, um ein Taxi zu rufen - in diesem Moment seien zwei Typen auf einem Moped an ihm vorbeifahren und hätten das Mobiltelefon aus seine Hand gerissen. Javid ist immer noch sauer; das Gerät, stöhnt er, sei nagelneu gewesen.

Was dem Minister, der erst kurz im Amt und unter anderem für die Sicherheit im Land verantwortlich ist, da passierte, ist in der britischen Hauptstadt keine Seltenheit. An vielen Straßenlaternen hängen Warnschilder der Polizei: "Passen Sie auf Ihr Handy auf. Tragen Sie es nicht offen herum, Moped-Diebe sind unterwegs." Allein auf der populären Oxford Street im Zentrum wurden, berichtet die Metropolitan Police, 2017 knapp 300 derartige Überfälle gemeldet; in ganz London waren es vergangenes Jahr 23 000 so genannte Moped-gelenkte Straftaten.

Die Lockvögel tragen leere Rucksäcke

Allerdings sind die Fahrer nicht nur Täter, sondern immer öfter auch selbst Opfer von Räubern. Denn neben Dieben, die mit ihren wendigen Vehikeln nah am Bordstein entlang rasen und Passanten Taschen oder elektrische Geräte aus der Hand reißen, werden aus britischen Großstädten Überfälle auf Moped-Besitzer gemeldet, denen ihre Gefährte quasi beim Fahren geklaut werden: ein Stoß, und weg.

Firmen wie Deliveroo oder UberEats, die ihre Fahrer auf Mopeds losschicken, um Takeaway-Bestellungen auszuliefern, beklagen zudem Überfälle auf ihre Mitarbeiter. Die Auslieferer sind, bepackt mit großen Rucksäcken voller Speisen, in der Regel auf Mopeds oder Rollern unterwegs zu ihren Kunden. Organisierte Gangs überfallen die Fahrer dann an Ampeln oder vor der Haustür, schlagen sie nieder und nehmen Motorroller und Geld an sich.

Die Londoner Polizei hat nun eine neue Strategie gegen diese Überfälle präsentiert: In Zukunft sollen Beamte undercover unterwegs sein, die - als falsche Lieferanten mit leeren Rucksäcken ausgestattet - als Lockvögel agieren und die Täter im Idealfall auf frischer Tat festnehmen könnten. Sie reagiert damit auf die Furcht der Lieferanten selbst: Im vergangenen Juli hatten hunderte Takeaway-Fahrer vor dem Parlament demonstriert und mehr Schutz gefordert, nachdem ein Kollege bei einer Säure-Attacke in Ost-London schwer verletzt worden war. Ende März wurde ein 14-Jähriger wegen Mordes angeklagt, nachdem er einen Auslieferer in Kensington erstochen hatte. Manche Firmen, berichtet der Guardian, weigerten sich, ihre Fahrer in bestimmte Gegenden der Stadt zu schicken, wenngleich die Zahl der Überfälle zuletzt wieder gesunken ist. Diese Gegenden werden nun wieder von Lieferservicefahrern angesteuert - wenn auch von verkleideten.

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