Großbritannien:Fanatischer Hass aufs grüne Licht

In Großbritannien zerstören Fußballfans grüne Verkehrsampeln. Dahinter steckt nicht nur Rowdytum, sondern ein religiöser Konflikt.

Wolfgang Koydl

Am Anfang sah es aus wie ein alltäglicher Fall von Vandalismus. Überall in Großbritannien zertrümmern jugendliche Rowdies Windschutzscheiben, Schaufenster oder Überwachungskameras, mit denen Raser auf den Straßen geblitzt werden. Die Constables in der kleinen schottischen Industriestadt Larkhall rund 25 Kilometer südöstlich von Glasgow waren daher kaum überrascht, als plötzlich Verkehrsampeln das Ziel blindwütiger Gewalt wurden.

Hooligans

Britische Hooligans gelten als wenig zimperlich: Sie verprügeln nicht nur Fußballfans aus anderen Ländern, sondern schlagen jetzt in ihrer Heimat auch Ampeln kaputt (Archivfoto).

(Foto: Foto: Reuters)

Es dauerte nicht lange, bis sich ein Muster herausbildete: Bei den Ampeln war es in allen Fällen nur das grüne Licht, das entweder mit einem Steinwurf zerschmettert worden oder sorgsam herausgezogen und gestohlen worden war.

Seit Januar 2004 registrierte die Polizei in der rund 16 000 Einwohner zählenden Kleinstadt nicht weniger als 205 Vorfälle. Manche Ampeln wurden bis zu 15 mal im Jahr zerbrochen, die Kosten für die Stadtverwaltung summierten sich bald auf stattliche 16 880 Pfund - knapp 25 000 Euro.

Anfangs hatte die Stadtverwaltung auch eine einfache Erklärung für die geheimnisvolle Vorliebe der Randalierer für das grüne Licht: Es sei einfach am leichtesten für Hooligans zu erreichen, weil es dem Boden am nächsten liegt. Für einen gezielten Wurf auf die rote Birne hingegen müsse ein Steinewerfer schon kräftiger ausholen. Diese Einschätzung, so die Gemeinde, werde überdies vom Ampelhersteller Siemens geteilt; nach dessen Erfahrung gingen weltweit überall zumeist die grünen Lichter zu Bruch.

Grün ist die Farbe der Rivalen

Lange ließ sich diese unverfängliche Lesart nicht aufrecht erhalten. Schon bald wurde klar, dass die Attacken auf das Konto von Fans des Glasgower Fußballclubs Rangers zurückgingen, und dass daher nicht nur sportliche Rivalität, sondern ausgewachsener Religionshass dahinter stand.

Denn grün ist die Farbe des Celtic Football Club, des ewigen Lokalrivalen der blau gekleideten Rangers-Truppe. Und beide Clubs stehen seit ihrem ersten Match am 28. Mai 1888 stellvertretend für Katholiken und Protestanten: Rangers ist der Verein britisch gesinnter Protestanten, hinter Celtic scharen sich die oft aus Irland eingewanderten Katholiken.

Aus diesem Grund haben beide Clubs - die traditionell die schottische Meisterschaft praktisch konkurrenzlos untereinander ausmachen - denn auch eine entsprechend große und hitzige Gefolgschaft auf der gegenüber liegenden Seite der Irischen See, in Nordirland. Dort ist es seit langem verboten, in Schals und Mützen eines bestimmten Fußballvereins ein Pub zu betreten: Zu oft hat dies buchstäblich zu Mord und Totschlag geführt.

1999 wurde die Bürgerbewegung Nil by Mouth gegründet, nachdem ein Schuljunge wegen religiöser Rivalitäten ermordet worden war. Wie deren Direktor Richard Benjamin der Tageszeitung The Scotsman anvertraute, ist konfessionelle Gewalt trotz aller Bemühungen weiterhin alltäglich.

Sandwich-Kette will aufs Firmengrün verzichten

Gottlob entlade sie sich meist nur gegen Sachen. Im vergangenen März führte Nil by Mouth Grundschüler aus katholischen und protestantischen Schulen zusammen; für viele Kinder war es die erste Begegnung mit einem Vertreter der anderen Religion.

Bei Polizei und Stadtverwaltung glaubt man trotzdem nicht daran, dass die Ampel-Attacken bald aufhören werden. Deshalb hat man sich entschlossen, die grünen Birnen vorerst mit einem kräftigen Metallgitter zu schützen. Den Rowdys steht es frei, sich andere grüne Ziele für ihre Aggressionen zu suchen.

Aus diesem Grund strich die Apothekenkette Moss Pharmacy schon vor fünf Jahren ihre grün-weißen Filialen in Larkhall in den britisch-patriotischen Tönen rot, blau und weiß. Und nun kursieren sogar Gerüchte, dass der Sandwich-Schmierer Subway in Schottland aufs Firmengrün verzichten will.

Bei der überwiegenden Mehrheit der Schotten ruft der religiös motivierte Vandalismus nur Kopfschütteln hervor - egal, ob sie Fußballfans sind, oder nicht. Ein Leser der Online-Ausgabe des Scotsman gab den Rangers-Rowdys einen Gedanken mit auf den Weg. Wenn sie schon gegen die grüne Farbe seien, wie stünden sie dann zur Farbe des Rasens, auf dem ihr Sport gespielt wird?

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