Nach allem, was man weiß, hat sich Isambard Kingdom Brunel keine Elternzeit genommen. Zum einen war dies im Vereinigten Königreich des 19. Jahrhunderts eher unüblich. Zum anderen ist von dem britischen Ingenieur das Zitat überliefert: „Ich war sehr skeptisch in Bezug auf Kinder. Die Frage ist, ob sie eine Quelle größter Freude oder des Schmerzes sind.“ Er bekam trotzdem drei. Bekannt ist Brunel dennoch als Pionier der industriellen Revolution, nicht so sehr als Vater.

Doch seit Kurzem trägt seine Bronzestatue an der Londoner Paddington Station eine Babypuppe in einem Tragetuch vor der Brust. Auch die Standbilder der Fußballer Thierry Henry und Tony Adams sowie der Schauspieler Gene Kelly und Laurence Olivier haben unverhofft Kinder bekommen. Der Finanzhändler mit dem Handy am Ohr, der in Bronze lebensgroß gegenüber dem Cannon Bridge House steht, darf sich sogar über Zwillinge freuen.

„Wir wollen die Aufmerksamkeit auf die wichtige Rolle lenken, die die Vaterschaft im Leben der Männer spielt“
Es waren Aktivisten der Vätergruppe The Dad Shift, die den historischen Herrschaften die Babys angehängt haben. Sie setzen sich damit für einen besseren Vaterschaftsurlaub ein. „Wir wollen die Aufmerksamkeit auf die wichtige Rolle lenken, die die Vaterschaft im Leben der Männer spielt – und warum die britische Regierung Vätern und Co-Eltern einen besseren Vaterschaftsurlaub gewähren muss“, schreiben die Aktivisten auf ihrer Instagram-Seite.
Die Regelungen zum gesetzlichen Vaterschaftsurlaub in Großbritannien gehören zu den schlechtesten in Europa. Dort haben Väter oder andere Co-Eltern lediglich Anspruch auf bis zu zwei Wochen zusätzlichen Urlaub, in dem sie 184,03 Pfund (rund 220 Euro) pro Woche bekommen – unabhängig von ihrem Gehalt. In der EU sind mindestens zehn Tage vergüteter Vaterschaftsurlaub vorgeschrieben. In Deutschland sollte dies mit der sogenannten Familienstartzeit umgesetzt werden, die allerdings noch nicht beschlossen wurde. Mit dem Elterngeld, das Eltern zusammen bis zu 28 Monate lang beziehen können, steht Deutschland im Vergleich zu Großbritannien jedoch deutlich familienfreundlicher da.
Jede zweite Familie hat nach dem Vaterschaftsurlaub finanzielle Probleme
Es mag daher wenig verwundern, dass fast ein Drittel der Väter in Großbritannien keinen Vaterschaftsurlaub nehmen nach der Geburt ihres Kindes. Nahezu zwei Drittel gaben kürzlich in einer Umfrage an, sie würden sich länger freinehmen, wenn sie mehr Geld bekämen in dieser Zeit. Und jede zweite Familie, in der der Partner Vaterschaftsurlaub genommen hatte, hat nach eigener Aussage danach finanzielle Probleme gehabt.
In einem offenen Brief bitten die Aktivisten von The Dad Shift den Premierminister um ein Treffen, damit Eltern mehr und besser bezahlte Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Die Labourpartei hatte bereits angekündigt, innerhalb ihres ersten Regierungsjahres die Elternzeitregelungen zu überprüfen.

Die babybehängten Statuen sollen sie daran erinnern. „Wir wollten einen positiv provozierenden Anblick bieten“, sagte George Gabriel, einer der Initiatoren, dem Guardian. Beim Anbringen der Babytragen hat den Aktivisten übrigens eine Frau geholfen: Mel Pinet, professionelle Trageberaterin.