Süddeutsche Zeitung

Grillen als Chefsache:Helden mit versengten Augenbrauen

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Am Grill findet der Mann zu seiner ureigensten Rolle als Jäger und Familienversorger zurück. Markus C. Schulte von Drach fleht darum, dass die Frauen die Finger lassen von dieser letzten Domäne der Männlichkeit.

Der Grill ist eine der letzten unangefochtenen Domänen der Männlichkeit. Hier entdeckt der Mann seine Urinstinkte und findet sich in seiner ureigensten Rolle als Jäger und Familienversorger wieder - unangefochten von der Frau als solcher.

Ein Glück!

Es gibt sie also noch, die Betätigung, bei der der Mann - der Mann!- noch ein Mann sein kann. Mann hätte es kaum gedacht.

"Die Arbeit mit rohem Fleisch", so Nina Degele, Professorin für Soziologie und Geschlechter-Forschung an der Universität Freiburg, "wird eindeutig als männlich und archaisch empfunden." Frauen würden mehrheitlich wenig Lust empfinden, am Grillrost zu stehen, erklärte sie der Nachrichtenagentur dpa. Es gehe um den wilden Mann, der für die Nahrungsaufnahme hart arbeiten müsse und der für die Versorgung der ganzen Gruppe verantwortlich sei.

"Am Grill ist der Mann der Chef. Er steht im Mittelpunkt des Geschehens", sagte Degele. Er finde Lob und Anerkennung, weil er öffentlichkeitswirksam die Nahrungszufuhr sichere und Verantwortung für die Gemeinschaft übernehme.

Während es also den eigentlichen Männerberuf nicht mehr gibt - im Gegensatz zum Frauenberuf übrigens, der sich in Form etwa der Zahnarzthelferin und der Sekretärin trotzig hält - gibt es zumindest noch diese Möglichkeit, in der Freizeit seiner Berufung als Mann nachzukommen.

Sportarten wie Fußball stehen hier ja schon lange nicht mehr zur Verfügung - schließlich gewinnen inzwischen deutsche Frauen die Fußballweltmeisterschaft, nicht die Männer. Und Frauen hauen sich beim Boxen gegenseitig inzwischen genauso brutal in die Fresse, wie Männer. Selbst das Pinkeln im Stehen ist keine Männerdomäne mehr - es ist gar keine Domäne mehr, wir haben sie selbst aufgegeben: Wir erleichtern uns sitzend, seit wir das Klo selbst putzen müssen.

Doch der Grill hat für den Mann noch eine weitere Bedeutung. Dort, so erklärt Prof. Degele weiter, wird für den Mann die Rolle in der Gesellschaft entschieden. "Wer Feuer anzündet, steht in der Sozialhierarchie ganz oben.". Und welcher Mann möchte da nicht stehen. Na gut, vermutlich wollen Frauen da auch stehen - aber sie sind offenbar nicht bereit, sich diese Rolle über den Umgang mit rohem Fleisch an der frischen Luft zu erkämpfen.

Und so bleibt uns neben der Herrschaft über die Fernbedienung und über die Armlehne im Kino letztlich noch der Grill, um uns als Männer! fühlen zu können.

Liebe Frauen, seid so nett, und überlasst uns diese Domäne. Seht zu, wie wir uns in die rosa Grillschürze mit dem Bild eines lachenden Schweines werfen und mit gefählich aussehenden Stahlzangen, geschützt durch Schweißerhandschuhe, blutige Schnitzel wenden, während wir geschickt den Bratwurstfett-Stichflammen ausweichen.

Und wenn wir euch mit versengten Augenbrauen das Kotelett halbdurch servieren, gebt uns das Gefühl, Helden zu sein. Ganz ehrlich: Wir brauchen das.

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