Griechischer Naturschutz:Unglückliche Liebesbeziehung

Die Griechen haben ein gespaltenes Verhältnis zur Natur: Was keinen Nutzen hat, wird nicht gehegt.

Christiane Schlötzer

Die griechische Dichtung besingt das blaue Meer und den grauen Fels - und auch das dunkle Grün der Wälder. Eigentlich geht es in der hellenischen Poesie aber stets um Seelenzustände, nicht wirklich um die Natur. Die wird eher als widrig erlebt. Das ist kein Wunder in einem Land, in dem die meisten Bergregionen nur schwer zugänglich sind. Und die Ägäis, das mythische Meer, ist auch voller Unberechenbarkeit. Heftige Winde, wie sie jetzt die Feuer anfachen, haben schon im alten Griechenland eine kriegsentscheidende Rolle gespielt.

Vor allem die trockenen Nordwinde im Sommer, Meltemi genannt, bestimmen oft über Wochen das Wetter. Sie können eine kleine Flamme zum Feuersturm aufblasen - wenn noch ein paar Dinge das Unglück begünstigen.

Zum Beispiel: eine weggeworfene Zigarette, eine Glasscherbe, die das Sonnenlicht bündelt, ein kleiner Gaskanister, mit dem man beim Picknick so schön griechischen Cafe kochen kann, achtlos liegengelassen am Wegrand.

Wer durch griechische Erholungsgebiete fährt oder sich am Rand von Dörfern umsieht, der findet das alles: Autowracks im Wald und ausrangierte Kühlschränke auf der Wiese. Manchmal steht gleich daneben eine große Tafel, mit bereits verblichener Schrift: "Der Wald liebt dich, und du?", steht da geschrieben. Dazu ist die Zeichnung eines kleines Mannes mit Hut zu sehen, der einen Baum an der Hand nimmt.

Die staatlichen Strichmännchen-Kampagnen zum Waldschutz haben bislang wenig gebracht, vielleicht, weil auch der Staat selbst kaum ein Vorbild ist. Die Aufforstung abgebrannter Wälder, seit Jahrzehnten versprochen, findet kaum statt. Tiefhängende Stromleitungen werden noch immer mitten durch Pinienwälder gezogen. Die Vier-Millionen-Metropole Athen lässt ihren Müll auf einer Riesendeponie vor der Stadt liegen. Wenn die Hauptstadt die Probleme schon nicht in Griff kriegt, muss man sich auch in den Provinzen nicht anstrengen. Schwelbrände auf Mülldeponien gibt es häufig.

"Es herrscht einfach kein Bewusstsein für die Gefahren", klagt der deutsche Autor Hubert Eichheim, der seit Jahrzehnten in Athen und auf dem Peloponnes lebt, wo es jetzt so heftig brennt. In seinem Buch "Griechenland" weist er darauf hin, dass die meisten Wälder in unteren Lagen einst als Nutzwälder angelegt wurden. Vor allem das Harz der Aleppokiefer war ein wichtiger Exportartikel. Durch die Erfindung des Kunstharzes brach der Markt ein - und die Wälder wurden sich selbst überlassen. Fuß- und Eselspfade wucherten zu, Kleinholz wurde nicht mehr entfernt. Das bildet den idealen Nährboden für schnelle Feuer.

Ungewöhnlich großer Baumbestand

Die hochgelegenen Bergwälder wiederum sind ein wichtiger Wasserspeicher. Weil sie meist sehr abgelegen sind, und es lange Zeit keine Straßen in die Gebirgsregionen gab, ist der Baumbestand "für mediterrane Verhältnisse ungewöhnlich groß", schreibt der Geograph Robert Brandes, der seit zehn Jahren die Vegetation der griechischen Hochgebirge untersucht.

In der in Athen erscheinenden Griechenland Zeitung hat Brandes jüngst notiert: "Anders als die Vegetation in tiefen Lagen, die gut an häufige Brände angepasst ist und sich innerhalb weniger Jahre regeneriert, benötigt der Bergwald nach einem Feuer 100 bis 200 Jahre, um seinen früheren Zustand wiederzuerlangen." Der Wissenschaftler meint, nur etwa drei Prozent der Waldbrände entstünden durch Blitzschlag, also auf natürliche Weise. Der Rest sei menschengemacht, "durch Brandstiftung und Unachtsamkeit". Brandes befürchtet auch, der Klimawandel werde die Situation künftig noch verschärfen.

Der Wald ist auch der wichtigste Erosionsschutz. Man kann ihn mit einem riesigen Schwamm vergleichen, der das Wasser festhält. Ohne den Schwamm werden kleine Flüsse nach Regenfällen schnell zu reißenden Strömen.

Schon jetzt leidet Griechenland nach heftigen Regen- und Schneefällen in Herbst und Winter regelmäßig an Flutwellen und heftigen Überschwemmungen. Und sauberes Trinkwasser ist äußerst knapp, trotz moderner Aufbereitungstechnik. Der 73-jährige Grieche Nicolas Kiriakou stammt aus einem Dorf auf der Halbinsel Peloponnes. Der alte Mann erinnert sich: "Vor 50, 60 Jahren war ein Liter Wasser teurer als ein Liter Öl oder ein Liter Wein." Bald könnte es wieder so weit sein.

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