Waldbrände in Griechenland:Feuerwehrleute, Polizisten und Bürgermeister sollen wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht

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Die Küstenstadt Mati war von den Waldbränden im Sommer 2018 besonders betroffen. (Foto: dpa)
  • 100 Menschen sind im Sommer 2018 bei Waldbränden nahe Athen ums Leben gekommen.
  • Nun sind 20 Personen wegen fahrlässiger Tötung angeklagt worden, darunter Politiker und Rettungskräfte.
  • Demnach sei nicht rechtzeitig evakuiert worden, zudem seien die Löscharbeiten schlecht koordiniert gewesen.

Entstanden war das Feuer östlich von Athen am 23. Juli 2018. Ein Anwohner hatte auf einem Hügel oberhalb des Katastrophengebietes vertrocknete Zweige angezündet, um sie zu beseitigen. Anschließend hatte er offenbar die Feuerstelle nicht richtig gelöscht. Starke Winde fachten das im Unterholz noch brennende Feuer an. Eine Feuerwalze schob sich anschließend durch das Feriengebiet. Viele Menschen verbrannten bei lebendigem Leib. Insgesamt kamen 100 Menschen ums Leben. Mehr als 4000 Häuser wurden zerstört oder stark beschädigt. Katastrophenforscher der Universität Leuven in Belgien sprachen damals vom "tödlichsten Großfeuer" in Europa seit mehr als 100 Jahren.

Nun hat die Justiz 20 Beschuldigte wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Darunter sind neben dem mutmaßlichen Brandstifter auch Feuerwehrleute, Polizisten, Bürgermeister und andere Politiker. Wie der staatliche Rundfunk (ERT) berichtete, drohen ihnen bei einer Verurteilung Haftstrafen von bis zu zehn Jahren.

Dass die Katastrophe ein solches Ausmaß annahm, lag auch am Versagen des Staates, so die Argumentation der Staatsanwaltschaft. Demnach haben die Verantwortlichen versäumt, rechtzeitig die Evakuierung der betroffenen Regionen anzuordnen. Es habe zudem schwere Koordinationsprobleme bei den Rettungskräften gegeben, die für die Löscharbeiten verantwortlich waren.

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Augenzeugen berichteten damals von Strom und Wasserpumpen, die schon nach Minuten ausfielen, die Feuerwehr habe nicht mit den Helikopter-Piloten kommunizieren können, die Verkehrspolizei soll Menschen in Richtung Feuer geschickt haben. Katastrophenalarm gab es nicht, ein geplantes SMS-Warnsystem war nicht in Betrieb. Zudem gab es Vorwürfe, denen zufolge die Feuerwehr aufgrund der Finanzkrise schlecht ausgestattet gewesen sei. "Meine Stiefel sind geschmolzen", berichtete damals zum Beispiel ein Feuerwehrmann.

Der Verteidigungsminister gab den Besitzern illegal errichteter Häuser die Schuld

Doch nicht nur die offenbar schlechten Rettungsarbeiten empörten die Menschen, sondern auch Äußerungen von Regierungspolitikern, die keine Fehler eingestehen wollten und stattdessen die Schuld bei den Opfern suchten. So sprach Verteidigungsminister Panos Kammenos von "Schwarzbauten", die das Ausbreiten des Feuers begünstigt hätten.

Zwar gibt es in der Region tatsächlich zahlreiche illegal errichtete Gebäude, doch es bleibt zweifelhaft, ob dies das Ausmaß der Katastrophe allein erklären kann. Diese Frage zu beantworten, könnte nun Aufgabe eines Gerichts werden. Ein Angeklagter, der Bürgermeister der Hafenstadt Rafina, sagte im griechischen Rundfunk: "Ich vertraue der Justiz. Es war eine Naturkatastrophe, die niemand stoppen konnte."

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