Grausiger Grund:Stilles Wasser

Im Starnberger See liegen mindestens 28 Wasserleichen.

Von Manfred Hummel

Starnberg - Es war ein grausiger Fund, den ein Taucher vergangenen Sommer im Starnberger See machte. Tief unter der Wasseroberfläche stieß ein Archäologe in Höhe der DGB-Schule in Niederpöcking auf einen leblosen Körper. Als er sich näher heran wagte, machte er die Bekanntschaft mit einer 17 Jahre alten Wasserleiche. Es handelte sich um einen Weinhändler aus dem Fränkischen, der seinen Freitod damals angekündigt hatte, nur war nicht bekannt, wo genau er in den See ging.

Starnberger See (ddp)

Blick auf den Starnberger See.

(Foto: Foto: ddp)

Mindestens 28 Wasserleichen liegen laut Auskunft der Polizei noch immer in dem Badesee im Münchner Süden. "Das bedeutet aber nicht, dass man beim Schwimmen gegen eine Wasserleiche stößt", beruhigt Andreas Geißler, Chef der Wasserwacht im Kreis Starnberg. Die Zahlen träfen auf alle größeren Seen zu. Trotz modernster Technik konnten die Leichen bisher nicht geborgen werden. Die Tiefe des Sees, der an der tiefsten Stelle 128Meter misst, macht eine Bergung unmöglich. Die Aktion brächte die Taucher in Gefahr, sagt Helmut Schuhmacher, Polizeihauptmeister bei der Starnberger Wasserschutzpolizei. Ist die Lage einer Leiche auf dem Seegrund bekannt, lassen die Beamten eine Digitalkamera mit starkem Scheinwerfer an einem Seil in die Tiefe, damit der Tote identifiziert werden kann; das spielt unter anderem eine Rolle für die Auszahlung von Lebensversicherungen an Hinterbliebene.

Von der Tiefe hängt ab, ob der See eine Leiche wieder freigibt oder nicht. Je tiefer ein Körper sinkt, desto höher ist der Wasserdruck, der das Auftauchen verhindert. Bis 15 oder 20 Meter Tiefe schwimmen Wasserleichen wieder auf. Das liegt an den Gasen, die bei der Verwesung entstehen. Die Bergungskräfte müssten allerdings schnell sein, erläutert Schuhmacher: Der Körper treibe maximal 30 Minuten an der Wasseroberfläche - sind die Gase entwichen, geht er wieder unter.

Die versunkenen Panduren

Rund um den See geht die Sage, dass in grauer Vorzeit ein ganzer Trupp Panduren in den Fluten versunken sein soll, den ein Fischerbub auf das brüchige Eis hinaus gelockt hatte. Ebenso soll auf dem Grund der Seeshaupter Bucht ein Pferdefuhrwerk mit Bierfässern liegen, das ins Eis einbrach. Auch der Einsatz von Mini-Tauchbooten hat aber zu keinen spektakulären Entdeckungen geführt. Während des Zweiten Weltkriegs sollen mehrere Flugzeuge in den See gestürzt sein. Ein Doppeldecker wurde in den 80er Jahren geborgen, das Wrack ist im Deutschen Museum zu besichtigen. Als zu Beginn der 90er Jahre ein amerikanischer Hubschrauber in den See stürzte, wurden in einer aufwändigen Aktion die Besatzung und die Trümmer des Helikopters geborgen.

Beim Segeln und Tauchen gibt es Jahr für Jahr Unfälle, bei denen Menschen für immer im See verschwinden. An der Trinkwasserqualität des Sees ändert das nichts. "Das sind biologische Stoffe", sagt Wasserschutzpolizist Schuhmacher, "das ist, wie wenn ein Baum hineinfällt." Der See sei ein selbstreinigendes Gewässer. Allerdings dauert es 21 Jahre, bis das Wasser umgewälzt ist, denn der Starnberger See hat außer Schmelz- und Regenwasser keinen nennenswerten Zulauf.

Ob das Kreuz im See vor Berg, das an den Tod König Ludwigs II. erinnert, Suizidwillige besonders anziehe? Auf diese Frage antwortet Schuhmacher nur ausweichend: "Der Geist des Königs ist im ganzen See."

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