Um Punkt 18.30 Uhr sollten am Freitagabend die beiden Kühltürme des stillgelegten Atomkraftwerks Grafenrheinfeld gesprengt werden. Dass das erst mehr als eine Stunde später möglich war, liegt an einem 36 Jahre alten Kernkraftbefürworter. Der Mann war in den gesperrten Bereich eingedrungen und auf Strommast geklettert. Höhenretter der Polizei mussten ihn aus etwa zehn Metern Höhe herunterholen.
Die Sprengung konnte der Mann nicht verhindern, doch wegen seiner Störaktion wird nun gegen ihn ermittelt. Es bestehe ein Anfangsverdacht auf Nötigung und Hausfriedensbruch sowie auf einen Verstoß gegen die Allgemeinverfügung, teilte die Polizei mit. Die Ermittlungen liegen bei der Polizei Schweinfurt und werden nach Abschluss von der Staatsanwaltschaft geprüft. Ob und in welcher Höhe zivilrechtliche Forderungen geltend gemacht werden können, wird ebenfalls geprüft.
Der 36-Jährige wurde schon am Freitagabend – nach der Sprengung – aus dem Gewahrsam entlassen. Schweinfurts Landrat Florian Töpper (SPD) war „erbost“ über seine Aktion.
55 000 Tonnen Bauschutt
Trotz der Verspätung haben Tausende Schaulustige aus der Entfernung beobachtet, wie die beiden Türme nach der Zündung innerhalb weniger Sekunden in sich zusammensackten. Die 143 Meter hohen Bauwerke haben jahrzehntelang das Gesicht der Region geprägt. Selbst bei einigen Atomkraftgegnern herrschte deshalb Wehmut.
Durch die Sprengung sind rund 55 000 Tonnen Bauschutt entstanden, schätzt der Betreiber Preussen Elektra. Dabei handele es sich hauptsächlich um Beton. Mit dem aufbereiteten Schutt sollen die beiden Kühlturmtassen aufgefüllt werden. Der restliche Teil des Betonbruchs sowie Kunststoffe und Metalle werden recycelt.
Das AKW wurde 2015 stillgelegt, seit 2018 läuft der Rückbau. Dieser soll noch etwa zehn Jahre dauern. Im Vorfeld war über die Sprengung diskutiert worden. „Der Abriss ist in den allermeisten Fällen weniger nachhaltig“, sagte der Designer Michael Ehlers. Er schlägt vor, solche Bauwerke künftig als Solarkraftwerke und Energiespeicher zu nutzen.