Good bye!:"Sex and the City" ist am Ende

Theoretisch und praktisch ist das Leben von Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha nicht für normalsterbliche Frauen gemacht. Und trotzdem ist diese Saga zu einem riesigen Wirtschaftsfaktor geworden.

Von Cathrin Kahlweit

München, 13. Dezember - Neulich hat ein Wissenschaftler die perfekte Absatzhöhe für Schuhe ausgerechnet - die Formel beinhaltet den Preis der Schuhe, den Sex-Appeal-Faktor, die Anzahl der zuvor konsumierten Alkoholeinheiten sowie die Routiniertheit, mit der Frauen auf hohen Hacken laufen können. Die Schuhe von Star-Schuster Manolo Blahnik haben sicherlich nicht die perfekte Absatzhöhe, aber sie sind ja auch nicht für die Füße Normalsterblicher gemacht: zu teuer, zu hoch. Wenngleich sehr schön.

Gleiches wie für die Schuhe, die in den USA Kult sind, gilt auch für "Sex and the City" (SatC) - die Serie, die den Designer und seine Treter erst berühmt gemacht hat. Die ultimativ letzte Folge von SatC ist am heutigen Dienstagabend auf Pro 7 zu sehen. Mit ihren 94 Folgen hatte die Serie über sechs Jahre hinweg bis zuletzt einen stolzen Marktanteil von durchschnittlich 18 Prozent erreicht.

Theoretisch und praktisch ist auch das Leben der Hauptpersonen Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha nicht für normalsterbliche Frauen gemacht:

Die vier arbeiten zwar, aber wann, ist nicht erkennbar. Sie haben wahnsinnig viel Geld - aber woher? Sie treiben keinen Sport, sind aber gertenschlank und durchtrainiert. Sie brauchen offenbar keine Überstunden zu schieben, denn die vier Schönheiten treffen sich stundenlang in Bars oder Cafés, um über Männer zu schwatzen. Sie essen selten und nippen nur ab und zu an einem Cocktail, erleiden aber trotzdem nicht den Hungertod. Sie sind toll frisiert und tragen immer die neusten Designer-Klamotten, sitzen aber nie beim Friseur und laufen sich auch nie die Stilettos auf der Suche nach einer Hose ab, die weder am Hintern Falten schlägt noch im Schritt zu kurz ist.

Das alles hat jetzt also, begleitet von Farewell-Parties und heftigem Medienrummel, auch in Deutschland ein Ende, nachdem die Serie in den USA schon im Februar 2004 ausgelaufen ist.

Lange war um die letzte Folge in den USA ein Staatsgeheimnis gemacht worden; drei Versionen waren gedreht worden, damit auch ja die Spannung auf dem Siedepunkt blieb: Kriegt Carrie ihren Mr. Big? Bekommt Charlotte ein Kind? Schwört Samantha dem Nymphomanentum ab? Kann sich Miranda endlich für Steve entscheiden?

Neunundvierzig Prozent der Zuschauer waren Umfragen zufolge in Amerika dafür gewesen, dass der Megastar unter den vier Schauspielerinnen , die Kolumnistin Carrie Bradshaw alias Sarah Jessica Parker, ihren Traumlover zurückbekommt und endlich monogam glücklich wird - was in etwa dem Prozentsatz entspricht, der sich bei den US-Wahlen für Familienwerte und George W. Bush entschied.

Sieben Prozent hatten für eine Existenz Carries im alten Europa der Irakkriegsgegner an der Seite von Alexandr Petrowsky alias Michail Baryschnikow votiert. Und immerhin 40 Prozent waren dafür gewesen, dass Carrie allein bleibt und tut, was sie immer tat: auf der Suche nach Liebe viele nette und weniger nette, hübsche und weniger hübsche Männer auszutesten - und damit weiterhin den weiblichen Fans auf der Fernsehcouch das wilde und abwechslungsreiche Sex-Leben vorzuleben, um das sie (fast) jede Frau in einer weniger wilden und weniger abwechslungsreichen Beziehung beneidete.

"Sex and the City" ist am Ende

Aber die letzte Folge heißt, nomen est omen, "Good Sex Can't Last Forever". Und genau so endet denn auch das Märchen von den oft spärlich bekleideten Jägerinnen in der freien Wildbahn der New Yorker Nightclubs: Nicht Sex, Geld und Klamotten machen glücklich, sondern Märchenprinzen in Einfamilienhäusern, die Stoffwindeln auswaschen und dann ihre (Ehe!)-Frauen im Doppelbett aufsuchen.

"Sex and the City" war der Überraschungs-Coup des Pay-TV-Senders HBO gewesen, der mit der Saga von den vier Sirenen mit dem tollen Liebesleben in fünf Jahren seinen Umsatz um 50 Prozent steigern konnte. Selten ist eine Serie so zu einem Wirtschaftsfaktor geworden wie diese: Allein mit den DVD's hat der US-Sender pro Jahr rund 100 Millionen Dollar gemacht; Bus-Touren fahren in New-York all jene Bars und Boutiquen an, in denen Carrie und ihre Freundinnen sich häufig aufhielten, und Dolce & Gabbana, Carries Lieblings-Designer, hat durch kostenlose Werbung einen fulminanten Aufschwung erlebt.

Auf kommerziellen Afterwork-Parties werden SatC-Videos gezeigt, um die Flirt-Laune und den Konsum zu heben. SatC hat massenhaft Golden Globes und andere Preise eingeheimst; es ist zum Studienobjekt von Frauenforscherinnen geworden. Nun wird die fröhliche Knutsch- und Tratsch-Runde auch noch - passend zum neuen, konservativen Amerika - auf einem frei empfangbaren Sender in einer entschärften und um die schönsten Sex-Szenen beschnittenen Version wiederverwertet.

Jenseits der Serie hat die vier Hauptdarstellerinnen das wirkliche Leben eingeholt: Sarah Jessica Parker ist tatsächlich verheiratet und hat ein Kind; Cynthia Nixon und Kristin Davies, die im Film Miranda und Charlotte spielten, klagen über fehlende Anschlussrollen, und Kim Cattrall, die femme fatale Samantha mit dem Hang zur Nabelschau, muss feststellen, dass sie die 40 überschritten hat und nicht mehr gefragt ist bei Produzenten - es sei denn, sie spielte freiwillig alte Hexen. Der geplante Film, das Anschlussprojekt an den Serien-Sex gewissermaßen, ist auch nicht zustande gekommen, weil sich Cattrall und Parker nicht leiden können und überdies wohl leicht übersteigerte Gagenforderungen hatten.

Die konservative Revolution, die sich seit Beginn von SatC in den USA vollzogen hat und das Schisma des Landes spiegelt, hat zur Folge, dass derzeit ein Gesetzentwurf diskutiert wird, der die Erhöhung der Geldstrafen von 27.500 Dollar auf eine halbe Million für Medienunternehmen vorsieht, die "Unanständigkeiten" verbreiten.

Andererseits gibt es für alle Anhänger von freier Liebe und freier Meinungsäußerung Hoffnung: Neuester Quotenrenner in den USA und auch schon im Visier deutscher Sender ist die Serie "Desperate Housewives" (Verzweifelte Hausfrauen) auf ABC, in der hysterische Supermom's den Aufstand in ihren kleinen, gepflegten Vorstadt-Gärten proben, Kinder aussetzen, Männer verprügeln und im Zustand des sexuellen Notstands den Gärtner verführen. "Desperate Housewives" ist womöglich die logische Fortsetzung von Sex and the City. Was dann nachfolgt, kann nur noch "Wahnsinnige Weiber im Altersheim" heißen.

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