"Goldene Kamera":Zum Heulen

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Greta Thunberg beklagt, dass Prominente sich kaum fürs Klima engagieren. Und die Prominenten? Sind gerührt. (Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

Greta Thunberg bei der Verleihung der "Goldenen Kamera" - ein Abend voller Absurditäten. Vor allem, als die beste Nachwuchsschauspielerin ihren Preis entgegennimmt, der all das Klimaschutz-Geklatsche konterkariert.

Von Claudia Fromme

Man würde gerne erfahren, wie viele der aufgerüschten Menschen ihren Weg zur "Goldenen Kamera" mit dem Flugzeug, dem Taxi, den freundlich bereitgestellten Limousinen angetreten haben. Wäre interessant zu wissen, wie viel Strom für die Glitzershow am Samstag verbraten wurde, wie weit das Wasser nach Berlin gereist ist, das den 1200 erhitzten Menschen dort gereicht wurde. Ob sich die Sponsoren des Preises aus der Kreuzfahrt- und Automobilindustrie kurz weggeduckt haben, als alle einem Mädchen huldigten, das genau all das anprangert.

Greta war also da. Greta ist ja immer gerade irgendwo, seit sie im August 2018 die Schule schwänzte und sich vor das schwedische Parlament setzte, um für das Klima zu demonstrieren. Am Freitag hat die 16-Jährige mit 20 000 anderen schwänzenden Schülern vor dem Brandenburger Tor demonstriert, in 120 Ländern taten junge Menschen es ihr gleich. Ihr Terminplan ist gut gefüllt. Abgesehen von Konferenzauftritten in nüchterner Atmosphäre war Greta Thunbergs Bühne bislang die Straße, auf der sie immer mit ihrem entschlossenem Kindergesicht marschiert.

Am Samstag konnte man im ZDF ihre Apotheose verfolgen: Im weißen Kleid und in weißen Turnschuhen tritt sie aus den güldenen Kulissen der Gala, die wahlweise an das Studio 54 oder eine Toffifee-Verpackung erinnern. Kamerafahrt über die Ränge, prominente Menschen springen ergriffen auf, die Augen feucht, Tom Neuwirth alias Wurst, früher Conchita Wurst, blickt wie ein trauriger bärtiger Wachhund, er trägt Fetischketten, einen Halspranger und einen Nasenring.

Man kann sich genau vorstellen, wie sie bei der Funke Mediengruppe ganz rote Bäckchen bekommen haben, weil sie den ersten großen Medienpreis in diesem Jahr vergeben und die Konkurrenz vom Bambi (Burda) und Goldener Henne (auch irgendwie Burda) erst viel später dran ist, ebenso der Friedensnobelpreis, für den Thunberg nominiert ist. Eilends wird der "Sonderpreis Klimaschutz" ausgerufen, und gleich wirkt die angestaubte Goldene Kamera viel frischer.

Ein Medienpreis für Greta Thunberg irritiert. Aber es ist auch so, dass sich ohne ihre Allgegenwart in Medien jedweder Art Schuldirektoren nicht überlegen müssten, wie sie mit der neuen Generation Schwänzer umgehen, die nicht blaumachen will, sondern die Welt retten. So steht Thunberg auf der Bühne und widmet ihren Preis den Aktivisten vom Hambacher Forst. Es sei eine komische Welt, in der Kinder ihre Ausbildung opfern müssten, um gegen die Zerstörung ihrer Zukunft zu protestieren, sagt sie ernst. Und in der sich Stars nicht für Umwelt- und Klimaschutz engagierten, weil sie "dann nicht mehr um die Welt fliegen könnten, um ihre Lieblingsrestaurants, Strände und Yogaseminare zu besuchen".

Als die Tränchen für Greta längst getrocknet sind, wird der Nachwuchspreis an die Schauspielerin Milena Tscharntke verliehen. Neben einer Goldenen Kamera erhält sie noch einen Autoschlüssel für einen SUV.

© SZ vom 01.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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