Gleichgeschlechtliche Ehe:Glückwunsch für alle

Die "Ehe für alle" wird am 1. Oktober ein Jahr alt. (Foto: Shutterstock/Alper Özer)

Seit dem 1. Oktober 2017 können Schwule und Lesben in Deutschland heiraten. Fünf Paare erzählen, was sich für sie in den vergangenen zwölf Monaten verändert hat.

Die Entscheidung im Bundestag fiel an einem Freitag. Tausende trafen sich am 30. Juni 2017 vor dem Brandenburger Tor und anderswo, um die "Ehe für alle" zu feiern. Seit 1. Oktober 2017 können Schwule und Lesben in Deutschland heiraten. Einige Standesämter öffneten damals ihre Türen, obwohl es ein Sonntag war. Im BGB heißt es jetzt: "Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen."

Ehe für alle
:Ja ohne Grenzen

Nach langem Ringen und emotionaler Debatte beschließt der Bundestag die Gleichstellung - und das Verfassungsgericht erkennt die Intersexuellen an.

Von Ulrike Heidenreich

Auch einige Prominente haben von der Gesetzesänderung Gebrauch gemacht und geheiratet, darunter die frühere Umweltministerin Barbara Hendricks, die Olympiasiegerin Kira Walkenhorst und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Offizielle Zahlen, wie viele gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen wurden, gibt es noch nicht. Der Bund der deutschen Standesbeamten schätzt jedoch, dass etwa fünf Prozent aller Ehen, die in den vergangenen zwölf Monaten geschlossen wurden, gleichgeschlechtliche waren. Was empfindet man, wenn man heiraten darf, nachdem es lange Zeit verboten war? Die SZ hat fünf Paare befragt.

Berlin

Anne Pascale Stein, 43 Jahre, und Sharon Stein, 35 Jahre

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(Foto: privat)

Anne Pascale Stein, 43 Jahre, und Sharon Stein, 35 Jahre, Berlin Anne Pascale Stein: "Als die Ehe für alle kam, haben wir beschlossen, unsere Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Gerade in Zeiten, in denen die Gesellschaft immer weiter nach rechts rückt, ist es nötig zu zeigen: Wir leben wie alle anderen Menschen und haben die gleichen Rechte. Wir haben uns 2012 auf einer Fortbildung kennengelernt und hatten danach zwei Jahre eine Fernbeziehung zwischen Tel Aviv und Berlin. Als Sharon nach Berlin kam, war eine Verpartnerung allein deswegen sinnvoll, weil es den Aufenthaltsstatus erleichterte. Die Feier zur Verpartnerung in Neukölln war wunderschön - unsere 'Traumhochzeit'. Ein halbes Jahr danach haben wir bei Sharons Eltern im Garten in Israel ein Fest gefeiert, es waren 150 Gäste da - für Israel eine kleine Hochzeit. Seitdem haben wir immer gesagt, wir sind verheiratet. Im Februar 2018 sind wir trotzdem noch einmal zum Standesamt. Es war mit Pinguinen dekoriert - sehr zur Freude unseres Sohnes. Ihn haben wir im Februar 2017 bekommen. Sein Vater ist ein schwuler Freund. Er sieht ihn einmal die Woche und es klappt so gut mit uns, dass wir uns ein zweites Kind wünschen." Protokoll: Hannah Beitzer

München

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(Foto: Picasa)

Henning Mueller-Rech, 58 Jahre, und Jörg Kortler, 39 Jahre, München "Wir haben dieses Jahr im August geheiratet - am fünften Jahrestag unserer Verpartnerung. Nach dem Standesamt in München in der Mandlstraße haben wir alle in ein Café eingeladen. Wir sind seit gut 15 Jahren zusammen und wollten unbedingt heiraten. Henning hat sogar 2017 einen Brief an Frau Merkel geschrieben hat, acht Seiten. Ein paar Wochen darauf wurde das Gesetz überraschend beschlossen und irgendwann bekamen wir einen kurzen Antwortbrief, in dem die CDU sich für ihre Verdienste lobte. Dennoch war es ein erhebendes Gefühl. Beim Gassigehen, als die Nachricht bekannt wurde, flossen die Tränen. Jörg ist Queer-Aktivist und manchmal fühlt man sich, als würde man wie Don Quijote gegen Windmühlen kämpfen. Dann merkt man plötzlich: Wow, du hast was erreicht! Trat man früher eine neue Stelle an und gab als Familienstand "verpartnert" an, kam das einem Zwangsouting gleich. Heute schreibt man einfach "verheiratet". Wir haben beide unsere Nachnamen behalten. Derjenige, dessen Name als zweites im Alphabet kommt, wird übrigens manchmal immer noch als Ehefrau eingetragen. Das sollte längst geändert sein." Protokoll: Nora Reinhardt

Hamburg

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(Foto: MOPO)

Werner Duysen und Wolfgang Duysen, Hamburg "Früher mussten wir immer sagen: Das ist mein Lebenspartner. Heute sagen wir: Das ist mein Mann. Und wir werden auch ganz offen gefragt: Was macht Ihr Mann? Das ist ein tolles Gefühl. Die Ehe ist das i-Tüpfelchen auf unsere Beziehung. Wenn wir früher die Möglichkeit gehabt hätten, dann hätten wir jetzt bald den 50. Hochzeitstag. Wir haben uns 1997 auf Hawaii das Versprechen gegeben, aber das zählte nach deutschem Recht nicht. Am 13. August 2001 haben wir uns verpartnert, aber damit hatten wir noch keine Rechte, nur Pflichten. Deshalb haben wir auch geklagt. Es ist traurig, dass man Rechte einklagen muss, die für andere selbstverständlich sind. Nach sechsjähriger Klagezeit haben wir 2009 ein Grundsatzurteil pro gleichgeschlechtliche Ehe vor dem Bundesverfassungsgericht erwirkt. Wir haben gewonnen. Das ist eine Genugtuung, und deshalb hatte der 1. Oktober, unsere Eheschließung im Hamburger Rathaus, eine besondere Bedeutung für uns. Jetzt wissen wir, dass der eine vom anderen erben kann. Dennoch, wir wären dankbar gewesen, wenn man die gleichgeschlechtliche Ehe im Grundgesetz festschrieben hätte." Protokoll: Thomas Hahn

Köln

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(Foto: privat)

Sabine Oevers-König, 43 Jahre, und Dagmar Signon, 56 Jahre, Köln "Unsere Hochzeit vor knapp einem Jahr war wunderschön. Der Standesbeamte hat sich sehr viel Zeit für die Trauung genommen, wir waren eine Stunde lang im Standesamt. Er hat sich gefreut, dass er einer der ersten war, der eine richtige Eheschließung von zwei Frauen begleitet hat. Als wir unseren Termin beim Standesamt angemeldet hatten, waren wir noch davon ausgegangen, dass wir eine eingetragene Lebenspartnerschaft schließen würden. Doch dann kam im vergangenen Sommer plötzlich die Ehe für alle. Alleine die Bezeichnung "Ehe" hat für uns zwar nicht viel verändert, emotional hätte eine Verpartnerung wohl das Gleiche bedeutet. Aber wir haben jetzt die gleichen Rechte wie alle Ehepaare. Meine Frau und ich haben jeweils zwei Kinder aus einer früheren Ehe. Sie haben sich sehr auf unsere Hochzeit gefreut. Es gab einen sehr schönen Moment im Standesamt, der auch auf einem Foto festgehalten ist. Als wir gerade frisch verheiratet waren und uns zu den Gästen umgedreht haben, standen unsere Kinder Arm und Arm in einem Kreis und haben gesagt: Jetzt haben wir es geschafft. Jetzt sind wir wirklich eine Familie." Protokoll: Benedikt Müller

München

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(Foto: Lena Herrmann)

Conrad Breyer und Stanislav Mishchenko, München Conrad Breyer: "Ich kann jedem nur empfehlen, zu heiraten. Der Moment, in dem du hinten in der Kirche stehst, und dann drehen sich deine 100 Gäste zu dir und deinem Partner um und lächeln dich an, ist das Beste, was ich je erlebt habe. Stanislav kommt aus der Ukraine, meine Familie teilweise aus Frankreich. Damit die Verwandtschaft alles versteht, haben zwei Freundinnen während der Trauung gedolmetscht. Der Part mit der Kirche war vor allem mir wichtig, lutherische Gemeinden in Bayern dürfen ja auch homosexuelle Paare segnen, aber nicht überall darf der Gottesdienst öffentlich sein. Aber bei uns ging das. Es war im Prinzip eine echte Trauung. Abgesehen davon, dass da zwei Männer vor dem Altar standen, lief alles sehr traditionell ab. Manche denken, das sei ein kleiner Schritt, eine Formalie, die sich im Alltag nicht weiter bemerkbar macht. Überhaupt irritiert mich manchmal, wie verhalten die Ehe für alle gefeiert wird. In der Community, aber auch insgesamt. Das wurde irgendwie im Vorbeigehen beschlossen und jetzt tun alle so, als handle es sich um ein Minderheitenthema. Dabei ist es ein so wichtiges Zeichen für die Liberalität unserer Gesellschaft!" Protokoll: Felicitas Kock

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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