Glamorama:Fall ich um, fall ich auf

TV personality and model Heidi Klum attends the Creative Arts Emmy Awards at Microsoft Theater in Lo

Heidi Klum. Perfekte Erscheinung? Perfekt inszeniert.

(Foto: UPI Photo/Imago)

Die schrecklich perfekte Heidi Klum sieht nicht einmal bei einem Sturz schrecklich aus. Ihr Beispiel zeigt. Es gibt sie tatsächlich, die Kunst des perfekten Stolperns.

Von Friederike-Zoe Grasshoff

Will ein Mensch seine Menschlichkeit herauskehren, postet er meist ein nicht ganz so ausgeschlafenes Selbstporträt auf einem dieser Kanäle, die heute die Welt bedeuten. Will aber ein Prominenter seine Menschlichkeit herauskehren, ist dies sehr viel komplizierter. Ein Selfie ohne Schminke? Knallt schon lange nicht mehr richtig. Über den ewig zurückliegenden Burn-out sprechen? Zu oft gehört. Eine vor Selbstkritik triefende Biografie in Auftrag geben? Viel zu lang in diesen 140-Zeichen-Zeiten. Heißt man nun aber Heidi Klum, nennt sich selbst "TV Personality" und hat ein Berufsrepertoire wie andere Leute Küchenhandtücher im Schrank, muss man sich schon richtig was einfallen lassen. Oder: sich mal richtig fallen lassen.

Heidi Klum, die in Sachen Beliebtheit irgendwo zwischen Nelson Mandela und Carsten Maschmeyer oszilliert, hat vieles vollbracht in ihren 43 Jahren auf dieser Erde, respektive: in ihrem Klum'schen Knopfdruck-Kosmos. Nun aber hat sie es tatsächlich geschafft, sie ist ganz unten - also ganz oben - angekommen: Sie ist gestürzt, die Klum fällt um - und dieses Mal hat sie nicht einfach nur eines ihrer vielen Fotos für uns. Sie hat ein Video. Als sie Anfang der Woche auf einer riesigen, rot-weiß-gestreiften Zuckerstange auf die Bühne der Talent-Show "America's Got Talent" hinabgelassen wurde, war erst alles wie immer: Werbelächeln, High-Heels-Beine, läuft so weit. Herumgewirbelt von ihrem Duettpartner Sal Valentinetti, mit dem sie "Santa Baby" sang, stürzte sie plötzlich zu Boden. Wobei stürzen es nicht ganz trifft: Sie wirbelte, sie tanzte zu Boden. Um dann sofort die Beine anzuwinkeln und weiterzusingen. Heidi Klum stürzte nicht, sie war der Sturz.

Nun, da jeder Schritt eines jeden Menschen getrackt, dokumentiert und geteilt wird, ist der Sturz aber nicht mehr nur ein Beleg für Ungeschicklichkeit, er ist eine eigene Stilform, eine Kulturtechnik, ein Distinktionsmerkmal. Siehe hierzu einen Vorläufer aus dem Jahr 1993, als Naomi Campbell auf dem Laufsteg stolperte, das war: fast schon elegant. Oder Madonna, die bei den Brit Awards 2015 zwar eine Treppe hinabstürzte und ein leichtes Schleudertrauma erlitt, aber sofort weitermachte, wie Rocky, nur halt als Frau. Nicht so heldenhaft sah es hingegen aus, als Jennifer Lawrence 2013 einen Oscar gewann und auf dem Weg zur Bühne hinfiel: tollpatschig, aber auch so schön unperfekt.

Kaum hatte Heidi Klum das Sturz-Video auf ihrem Twitter-Account geteilt, wo man sonst vor allem ihr poliertes Portfolio zu sehen bekommt, stellten die ersten Internetportale schon die Sinnfrage: War das wirklich ein Sturz - oder doch eine gekonnte Inszenierung? Wollte man die Show ein bisschen spannender machen? Gegenfragen: Fake News, wo es mal wirklich keinen News-, sondern nur einen Unterhaltungswert gibt? Und darf nicht auch so eine Alles-alles-alles-Könnerin wie Klum einfach mal hinfallen, ohne doppelten Boden? Nein, das darf sie nicht. Denn das war einfach mal wieder: viel zu schön, Frau Klum.

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