Süddeutsche Zeitung

Glamorama:Champagner in Venedig

Grant und Hutton, die Clooneys, und jetzt auch Schweinsteiger und Ivanovic - warum heiraten die Promis so gern in Venedig, das doch für Untergang und Fäulnis steht?

Von Thomas Steinfeld

Unter den Arkaden des Markusplatzes liegt das Caffè Florian, das älteste noch bestehende Kaffeehaus Europas. Man sitzt auf dem Platz, während ein Orchester unvergängliche Schlager spielt, oder in einer bunt dekorierten Kammer, von wo aus man einen Blick auf die Piazza hat. Das Caffè Florian bietet eigene Arrangements für eine der großen Fragen des Lebens an: "Willst du mich heiraten?" Der "klassische" Antrag ist schon für 200 Euro zu haben. Inbegriffen sind ein herzförmiger Kuchen, zwei Gläser Prosecco, ein Strauß Blumen steht auf dem Tisch - und das Orchester spielt ein Liebeslied nach persönlicher Wahl. Für das Doppelte gibt es ein kleines Menu und Champagner. Darüber hinaus kann selbstverständlich noch das "luxury proposal" gebucht werden, über dessen Preis man verhandeln muss. Ein Symptom ist dieses Angebot: dafür nämlich, dass in Venedig in einem fort Heiratsanträge gemacht, Eheversprechen gegeben und silberne, goldene, eherne Hochzeiten ohne Zahl gefeiert werden.

Wie konnte das passieren, in einer Stadt, die für Dekadenz, Untergang und Fäulnis steht? Was brachte den Fußballer Bastian Schweinsteiger und seine Verlobte, die Tennisspielerin Ana Ivanovic, auf den Gedanken, ausgerechnet hier heiraten zu wollen - falls die Boulevardpresse nun recht hat und die Feier nicht doch in Belgrad stattfindet?

Die einfache Antwort darauf lautet: Es muss George Clooney gewesen sein, der hier im Herbst 2014 Amal Alamuddin heiratete, im Rahmen eines Festes, in dem ein Herrscher vor sein Volk zu treten schien und das doch, bis in solche Details wie die Wimpel auf den Taxibooten, wie eine Unternehmenskampagne inszeniert war. Indessen hatte auch diese Eheschließung ein Vorbild: die 1942 geschlossene Ehe zwischen dem Schauspieler Cary Grant und Barbara Hutton, der Erbin des Warenhauses Woolworth und damals reichsten Frau der Welt. Die Hochzeit fand zwar - mitten im Zweiten Weltkrieg - in den USA statt. Aber ihr eigentlicher Ort war Venedig. Barbara Hutton liebte diese Stadt. Als Brautgabe (in einem verdrehten Sinn des Wortes) schenkte sie ihrem wohl eher dem eigenen Geschlecht zugewandten dritten Ehemann ein Haus am Canal Grande.

Aber wer will solche Geschichten wissen? Schweinsteiger? Nein, mit den Heiratsanträgen, Eheschließungen und Hochzeitsjubiläen in Venedig verhält es sich ähnlich wie mit dem Karneval. Denn dieser erlosch mit dem Untergang der Republik im Jahr 1797 und wurde allenfalls noch als private Tradition weitergeführt. Der Karneval kehrte, initiiert von Künstlern und dann vorangetrieben von Hoteliers und Gastwirten, erst in den Siebzigern zurück, inspiriert von einem Film: Federico Fellinis "Casanova". Seitdem gibt es in Venedig ein ewiges Rokoko, komplett mit Festen, Masken und vermeintlichen libidinösen Verschwörungen. Und dann drehte Madonna in Venedig das Video zur ihrem Lied "Like A Virgin" (1984), als Maskenspiel im weißen Hochzeitskleid, mit einem leibhaftigen Löwen, der zugleich ihren Liebhaber und die Stadt repräsentieren sollte. So müde war das Tier, dass es, wie die Sängerin erzählt, seinen Kopf in ihren Schoß legte und nicht mehr aufstehen wollte.

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Quelle:
SZ vom 09.07.2016
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