Glamorama:Alte von der Brücke?

Woody Allen arrives at a photocall for the film Cafe Society during the 69th annual Cannes Internati

Woody Allen will auch mit 80 lieber Regie führen als sich den Kopf zermartern.

(Foto: imago)

Woody Allen, Clint Eastwood und Dieter Hallervorden haben eines gemeinsam: Für sie gilt die Formel, dass sie "auch mit ... Jahren nicht ans Aufhören denken".

Von Hermann Unterstöger

Vor etlichen Monaten ging eine Meldung durch die Presse, der zufolge Jean-Paul Levesque auch mit 46 noch nicht ans Aufhören denke. Wär' ja auch noch schöner, sagten sich viele, bis sie lasen, dass der Mann im Wrestling tätig ist, wo er unter dem Künstlernamen "Triple H" haufenweise Geld verdient. Wrestling geht an die Knochen, und insofern ist Levesque sehr untypisch für die Gattung derer, die, wie die Formel dafür heißt, "auch mit ... Jahren noch nicht ans Aufhören denken".

Kunst scheint nicht an die Knochen zu gehen, jedenfalls nicht so spürbar wie Wrestling oder, um einen Klassiker der Rentendebatte zu bemühen, Dachdecken. Drei Künstler, die sonst unterschiedlicher nicht sein könnten, haben in jüngster Zeit wissen lassen, dass sie nicht ans Aufhören dächten. Dieter Hallervorden, 81, begründet das damit, dass sein Beruf der Leidenschaft entsprungen sei und man Leidenschaft nicht einfach austreten könne. Bei Clint Eastwood, 86, verhält es sich so, dass er überhaupt nie aufhören will. Woody Allen, 80, tendiert ebenfalls in diese Richtung, schließlich sei Regieführen immer noch besser, als herumzusitzen und sich "den Kopf darüber zu zermartern, wie schlimm das Leben ist".

Viele Regelrentner würden auch gern Regie führen, statt sich den Kopf über ihr Leben zu zermartern, und in träumerischen Stunden will es ihnen scheinen, als hätten auch sie ihren Beruf mit einiger Leidenschaft ergriffen. Da kann Verbitterung aufkommen, aus der nur Neidlosigkeit herausführt. Das ist eine zwar seltene Tugend, aber wo man ihr freien Lauf lässt, führt sie zur Freude darüber, dass auch im Alter, wie man so sagt, "noch was geht". An aufbauenden Beispielen mangelt es nicht, man denke an Noah, der mit 600 Jahren die Arche baute und dem Schiffsbau entscheidende Anstöße gab, oder an Immanuel Kant, der noch mit 80 an einem "System der Transzendentalphilosophie" herumfummelte. Nicht dass wir von Hallervorden, Eastwood und Allen neue Schiffstypen erwarten, aber in der Philosophie ist für rührige Senioren allemal ein Plätzchen frei.

Was aber, wenn man sich partout der Verbitterung überlassen will? Da ist gut dran, wer als pensionierter Lateinlehrer am Stammtisch ein hammerhartes Zitat aus dem Nähkästchen zaubern kann. Bei den Römern gab es das Sprichwort "Sexagenarios de ponte", das man so deuten kann, dass den über Sechzigjährigen das Stimmrecht entzogen werden soll. Diese Deutung ist etwas umständlich, weswegen wir sie uns für heute schenken und die wirklich Interessierten auf Mommsen verweisen: "Römisches Staatsrecht", auch nicht gerade ein Jugendwerk.

Für gröbere Naturen gibt es die wörtliche und kaum misszuverstehende Übersetzung "Runter von der Brücke mit den Sechzigjährigen", die den Respekt vor dem Alter auf unverzeihliche Art vermissen lässt. Darüber hinaus widerstrebt sie in theologisch-ethischer Hinsicht dem, was Papst Gregor der Große im Alter sah, nämlich dass es "quaedam prolixitas mortis" sei, ein Sterben in Zeitlupe.

Im Übrigen muss man davon abraten, Clint Eastwood von einer Brücke stoßen zu wollen. Mann, da gäb's was auf die Nase!

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