Textilbranche:Von wegen Wohltätigkeit und Girl Power

Textilbranche: In Bangladesch gefertigt, in Großbritannien für gute Zwecke verkauft: T-Shirts mit dem Schriftzug "Girl Power".

In Bangladesch gefertigt, in Großbritannien für gute Zwecke verkauft: T-Shirts mit dem Schriftzug "Girl Power".

(Foto: Instagram)
  • In Großbritannien sind T-Shirts, die für wohltätige Zwecke verkauft werden, einem Medienbericht zufolge in Bangladesch unter menschenunwürdigen Bedingungen gefertigt worden.
  • Die betroffene Fabrik in Bangladesch war einst wegen Nachhaltigkeit und guter Arbeitsbedingungen ausgezeichnet worden.
  • Der Verkauf der T-Shirts wurde gestoppt; in der Fabrik kam es bereits zu Streiks und Kündigungen.

Von Björn Finke, London

Vorne auf den T-Shirts prangt der Schriftzug "Girl Power". Zu kaufen waren sie auf einer Webseite, die jungen Frauen aufzeigen soll, was sie im Leben alles erreichen können. fequals.com heißt die Seite; sie wurde von der Londoner Internetunternehmerin und Buchautorin Danielle Newnham gegründet. Dort finden sich Interviews und Buchtipps. Die T-Shirts hingegen sind von der Seite verschwunden. Denn die Fabrik, in der sie genäht wurden, soll mit dem Konzept von Frauenpower oder auch nur einfachen Arbeitnehmerrechten nicht viel am Hut gehabt haben.

Die britische Zeitung Guardian berichtet, dass der Hersteller in Bangladesch angeblich Hungerlöhne zahlt, Streikende entlässt und eine aufmüpfige Angestellte zusammenschlagen ließ. Das Unternehmen namens Dird Composite Textiles weist die Vorwürfe zurück. Trotzdem stoppte Fequals den Verkauf. Von den 28 Pfund, das sind 33 Euro, die die Leibchen kosteten, gingen zehn Pfund an die Stiftung Worldreader, die Kindern in Afrika elektronische Bücher und Lesegeräte zur Verfügung stellt. Die Stiftung verkündet, vorerst keine Spenden mehr von Fequals zu akzeptieren.

Hungerlöhne für Arbeiterinnen

Nicht zum ersten Mal gerät nun eine wohltätige Aktion ins Zwielicht, weil für die guten Taten Arbeiter ausgebeutet werden. Die Popgruppe Spice Girls etwa verkaufte T-Shirts zugunsten der britischen Hilfsorganisation Comic Relief - im Januar kam heraus, dass die Shirts in einer Fabrik in Bangladesch genäht wurden, die ihre Arbeiterinnen extrem schlecht bezahlt. Zentren der Textilindustrie sind eher arme Staaten wie Bangladesch, Pakistan, Vietnam oder China. Es gibt immer wieder Klagen, dass Fabriken ihre oft weiblichen Angestellten mit Hungerlöhnen abspeisen oder mies behandeln. Trauriger Tiefpunkt: Im Jahr 2013 stürzte die Textilfabrik Rana Plaza unter dem Gewicht mehrerer illegal aufgestockter Etagen ein; mehr als 1100 Menschen starben bei Bangladeschs schlimmster Industriekatastrophe.

Deswegen kann es heikel sein, wenn Stiftungen Geld mit hübschen Shirts oder Kappen verdienen wollen. Die Einnahmen fließen bestimmt in tolle Projekte, aber die Arbeitsbedingungen der Näher sind manchmal alles andere als toll. Danielle Newnham, die die Webseite Fequals mit ihrer Schwester gegründet hat, ist sich des Problems bewusst. "Wenn wir Beweise für schlechte Behandlung erhalten, würden wir sofort einen anderen Lieferanten suchen", sagt sie. Das Duo habe sich genau informiert, und der bisherige Lieferant Stanley/Stella gelte als einer der besten, wenn es um Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen in den Fabriken geht, sagt sie.

Stanley/Stella ist ein belgisches Unternehmen, das damit wirbt, Textilien auf "menschlichere, ethischere und ökologischere Weise" fertigen zu lassen. Doch die Belgier beauftragten Dird Composite Textiles in Bangladesch. Deren Fabrik wiederum ist von der Fair Wear Foundation (FWF) zertifiziert, einer niederländischen Stiftung von Gewerkschaften und der Textilwirtschaft. FWF setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen ein und lässt diese in den Werken auch überprüfen. Die Initiative Siegelklarheit der deutschen Bundesregierung stellt FWF ein sehr gutes Zeugnis aus.

Entlassungen nach Streiks

Aber seit der letzten FWF-Kontrolle muss sich die Lage bei Dird Composite Textiles offenbar verschlechtert haben. Die Organisation ist jedenfalls alarmiert. Eine Sprecherin sagt, die Initiative habe sich mit Vertretern des Herstellers und von Stanley/Stella getroffen. Die Fabrik zahle nun Arbeitern ihre ausstehenden Löhne und Abfindungen. "FWF und Stanley/Stella werden das genau im Auge behalten", sagt die FWF-Vertreterin.

Dem Guardian zufolge entließ Dird Composite Textiles nach Streiks mehr als 100 Arbeiter. In den vergangenen Wochen kam es in zahlreichen Fabriken des Landes zu Streiks - und Kündigungen. Grund des Aufruhrs ist, dass der Mindestlohn der Regierung nach Ansicht von Arbeitern und Gewerkschaften viel zu niedrig ist. Und dann ist da noch dieser Fall: Das Management von Dird Composite Textiles ließ angeblich eine Arbeiterin, die sich über Probleme beschwert hatte, vom Sicherheitsdienst zusammenschlagen und mit Mord bedrohen. Nachdem sich die Prüforganisation FWF eingeschaltet hatte, musste die Firma einen Personalreferenten entlassen und der Frau mehrere Monatsgehälter als Entschädigung zahlen.

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