Ob es sich für ein Unternehmen lohnt, einen neuen Deo-Roller oder ein neues Müsli auf den Markt zu bringen, das hat das Marktforschungsinstitut GfK in den vergangenen 35 Jahren im pfälzischen Haßloch getestet. Mit Produkten, die (zunächst) nur dort erhältlich waren. Klaus Hehl, 84, und einst GfK-Vorstandsvorsitzender hatte die Idee.
Herr Hehl, wissen Sie schon, dass Ihr "Projekt Haßloch" Ende des Jahres von der GfK eingestellt wird?
Klaus Hehl: Nein, das wusste ich noch nicht. Aber klar, heute hat man ganz andere Mittel für die Marktforschung.
In Zukunft setzt man auf künstliche Intelligenz, welche weltweit eingespeiste Daten zum Konsumentenverhalten auswertet. Sie haben das noch ganz anders gemacht.
Richtig. Der Clou bei Haßloch war, dass es dort schon in den 1980ern einen Bürgerfernsehkanal gab, in dem wir spezielle Werbung gesendet haben. Also, die hatten da so einen örtlichen Fernsehsender, wo wir Spots für bestimmte Produkte ausstrahlen konnten, die es deutschlandweit noch gar nicht gab. Und wir konnten die Werbeblöcke im bundesweiten Fernsehprogramm einfach überblenden. So haben wir mit der Werbung wirklich nur Haßlocherinnen und Haßlocher erreicht.
Solche Bürgerkanäle gab es damals ja in vielen Orten. Warum wählten Sie ausgerechnet Haßloch aus?
Haßloch war wie ein kleines Deutschland. Das Mengenverhältnis von Kindern, Familien, Rentnern entsprach etwa dem der damaligen Bundesrepublik. Der Ort mit seinen knapp 20 000 Einwohnern hatte also einen repräsentativen Charakter, der dem Bundesdurchschnitt entsprach. Das wussten wir aus statistischen Daten und da lag das auf der Hand.
Die Berliner taz mokierte sich damals über die "Quotenschnüffler" der GfK. Wie lief das denn so ab, im Haßlocher Alltag?
Na, man wählte ein paar Hundert Testpersonen aus, die bekamen dann eine Strichcode-Karte, die sie beim Einkauf an der Kasse vorlegen konnten und dafür Punkte bekamen, die sie in Prämien umwandeln konnten.
Heute wird jeder überall an der Kasse gefragt: "Haben Sie eine Kundenkarte"?
Genau. Heute geben viele Menschen freiwillig ihre Daten her. Auf der ganzen Welt. Die muss man als Marktforscher dann nur noch einsammeln und auswerten. Aber damals gab es Payback noch nicht.
Was haben Sie mit den Daten der Haßlocher gemacht?
Weiterverkauft an die Firmen, die das interessiert hat. Die haben dann zum Beispiel überlegt, ob sie ihren Schokoriegel tatsächlich auf den Markt bringen oder ihn doch lieber weglassen. Und wir haben in Haßloch das Kaufverhalten ja nicht nur mit Fernsehwerbung getestet, sondern auch eigens gedruckte Zeitschriften ins Regal gelegt.
Spezialausgaben nur für Haßloch?
Ja. Die Hörzu oder die Bunte zum Beispiel, aber mit anderen Anzeigen. Mit Werbung für Produkte, die es eben nur in Haßloch gab. Interessant war, dass die Haßlocher Auswertungen dann später fast deckungsgleich waren mit den bundesweiten Daten. Also nach der Markteinführung irgendeines Produkts. Das zeigte uns, dass wir hier auf dem richtigen Weg waren.
Das ist ab Jahresende nun passé. Wie gehen Sie heute einkaufen, Herr Hehl?
Meine Frau schreibt mir immer einen Einkaufszettel und den muss ich dann abarbeiten. Aber eigentlich weiß ich ganz genau, was ich will, wenn ich so einen Laden betrete. In meinem Alter lasse ich mich nicht mehr groß beeinflussen, was mein Kaufverhalten angeht. Für die Marktforschung bin ich deshalb eher uninteressant.