Süddeutsche Zeitung

Gewitter und Hochwasser:So ist die Lage in den Unwettergebieten

  • Die derzeitige Wetterlage ist "absolut außergewöhnlich", wie Experten des Deutschen Wetterdienstes feststellen.
  • Für das Wochenende muss mit weiteren Gewittern und starken Regenfällen gerechnet werden.
  • In den bereits betroffenen Gebieten in Deutschland und Frankreich ist die Lage aktuell sehr unterschiedlich.

Das Tief über Deutschland zieht nicht ab: Vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland rechnet der Deutsche Wetterdienst (DWD) am Samstag mit erneuten heftigen Gewittern, am stärksten gefährdet seien voraussichtlich Gebiete im Süden Nordrhein-Westfalens und im Norden von Rheinland-Pfalz. Auch Nebel mit Sichtweiten von unter 150 Metern sei möglich. Örtlich müsse mit 25 bis 40 Litern Regen pro Quadratmeter gerechnet werden, sagte ein Sprecher. Wo genau die Unwetter auftreten, lasse sich zunächst nicht sagen. Es sei aber zum Beispiel möglich, dass erneut Starkregen über den Hochwassergebieten niedergehe. Auch die Musikfestivals "Rock am Ring" in der Eifel und "Rock im Park" in Nürnberg müssten sich weiterhin auf Unwetter einstellen.

Bei "Rock am Ring" hatte gestern ein Blitzeinschlag 51 Menschen verletzt, zwei davon mussten reanimiert werden. Ein Gewitter hatte sich am Freitagabend direkt über das Festival geschoben. Die Live-Auftritte waren etwa eineinhalb Stunden lang unterbrochen. Rund 90 000 Fans harrten auf dem Flugplatz Mendig in Rheinland-Pfalz aus. Starkregen zerstörte viele Zelte.

Über das Ausmaß der derzeitigen Unwetter im Land zeigen sich selbst Meteorologen überrascht. Auch die Dauer sei "absolut außergewöhnlich", schrieben Experten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in einem Zwischenbericht. Und sie sind noch nicht vorbei: Tief "Friederike" liege nahezu ortsfest über Deutschland und weiche kaum von der Stelle, sagte ein Meteorologe.

Niederbayern: "Von Entspannung kann aber noch nicht die Rede sein"

In den Überschwemmungsgebieten in Niederbayern gehen die Aufräumarbeiten schrittweise voran. "Von Entspannung kann aber noch nicht die Rede sein", sagte der Bürgermeister von Simbach am Inn, Klaus Schmid (CSU). Hunderte Einsatzkräfte sind seit dem frühen Morgen dabei, die Straßen von Müll und Schlamm zu säubern - zusammen mit Hunderten freiwilliger Helfer. Sieben Menschen waren bei der Hochwasserkatastrophe ums Leben gekommen. Für den Nachmittag hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) einen Besuch in Simbach angekündigt.

Unwetter in Köln, Besserung am Niederrhein

Ein heftiges Unwetter hat in der Nacht zum Samstag Köln getroffen. Die Feuerwehr rückte in kürzester Zeit zu rund 200 Einsätzen aus. Ein hilfloser Mensch sei aus dem Rhein gerettet worden, hieß es. "Ein Autofahrer und ein Radler wurden während des Regens bei Unfällen verletzt", sagte ein Sprecher der Polizei am Morgen. Ein weiterer Autofahrer, der in einer gefluteten Unterführung feststeckte, wurde aus seinem Wagen befreit. Auch die Uniklinik brauchte Hilfe: Dort drang das Wasser an mehreren Stellen in das Gebäude ein. Die Helfer pumpten zudem etliche vollgelaufene Keller leer.

Am Niederrhein dagegen hat sich die Lage deutlich entspannt. Am Samstag stellte der Krisenstab des Kreises Wesel seine Arbeit ein. Nach starken Regenfällen drohten seit Donnerstag in Orten entlang des Flusses Issel Überschwemmungen. Besonders betroffen waren Hamminkeln und Isselburg im angrenzenden Münsterland. "Die Pegel sind deutlich gesunken. Aber wir beobachten die Lage weiter", sagte ein Sprecher.

Baden-Württemberg: 23 Menschen müssen ihre Häuser verlassen

Gewitter und Starkregen haben derweil große Teile Baden-Württembergs weiter fest im Griff. Anhaltende Regengüsse unterspülten viele Straßen im Land und ließen Gewässer über die Ufer treten. Eine Spur der Autobahn 8 nahe Pforzheim in Fahrtrichtung Karlsruhe wurde zeitweise gesperrt, mittlerweile aber wieder freigegeben. Im besonders betroffenen Ort Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis) mussten am Samstag zeitweise 23 Menschen ihre Häuser verlassen, weil ein vom Regen gelockerter Berghang auf sie zu stürzen drohte. In dem Ort war es bereits Anfang der Woche zu verheerenden Überschwemmungen gekommen, durch die zwei Menschen starben.

Die Landesregierung versprach Soforthilfen für die Opfer der Flut. Am Dienstag will das Kabinett in Stuttgart auch über Hilfen für den Wiederaufbau der Regionen beraten. Besonders stark betroffene Bürger sollen von Montag an 500 Euro Soforthilfe vom Land Baden-Württemberg erhalten, insgesamt gebe es pro Haushalt 2500 Euro.

Das Wetter ruft auch Mückenbekämpfer am Rhein auf den Plan. Überschwemmte Auen sind ein idealer Brutplatz für Stechmücken. Das Zeitfenster, um eine Plage entlang des Stroms zu verhindern, sei eng, denn das biologische Mittel wirkt nur während des Larvenstadiums, wie der wissenschaftliche Direktor der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS), Norbert Becker sagte.

Auch in Frankreich wirken sich die starken Regenfälle weiter aus. Das Hochwasser der Seine hat Paris in Atem gehalten, mittlerweile gibt es aber Entwarnung. Der Pegel des Flusses stieg in der Nacht zum Samstag langsamer als befürchtet: Der Stand habe sich bei 6,05 Meter stabilisiert und werde nun langsam wieder sinken, teilten die Behörden mit. Zuvor hatte das Umweltministerium gewarnt, in der Nacht sei ein Anstieg bis auf schlimmstenfalls sogar 6,50 Meter möglich.

Die Seine in Paris hatte vor einer Woche noch einen Pegelstand von unter 1,30 Meter gehabt. Die Überschwemmungen führten in den vergangenen Tagen in der Region um Paris und in der Loire-Region zu schweren Verwüstungen. Nach Angaben von Premierminister Manuel Valls sind im Land vier Menschen ums Leben gekommen, 24 weitere wurde verletzt. Am Freitag wurden in mehreren Regionen Anwohner gefährlich ansteigender Flüsse in Sicherheit gebracht, 20 000 Menschen mussten bislang ihre Häuser verlassen. In Boulogne wurde ein Campingplatz evakuiert, in Giverny in der Normandie das Monet-Haus vorsorglich geschlossen.

Die Behörden rechneten damit, dass der Pegelstand das Wochenende über sehr hoch bleiben und dann langsam zurückgehen würde. Wegen der Überschwemmungen waren in Paris mehrere U-Bahn-Stationen sowie Uferstraßen gesperrt.

Wegen des Hochwassers hatten am Freitag die berühmten Museen Louvre und Musée D'Orsay sowie das Ausstellungshaus Grand Palais ihre Pforten geschlossen. In den Museen wurden in den Untergeschossen gelagerte Werke in höhere Etagen gebracht. Frankreichs Präsident François Hollande besuchte in der Nacht zum Samstag den Louvre, wo Mitarbeiter Kunstwerke in Sicherheit brachten. Das Museum soll nach Angaben seines Direktors Jean-Luc Martinez noch bis einschließlich Dienstag geschlossen bleiben.

Zuletzt gab es in Paris vor fast 35 Jahren ein vergleichbares Szenario: 1982 erreichte die Seine in Paris einen Pegelstand von 6,18 Metern. Bei der Jahrhundertflut im Jahr 1910 waren es sogar 8,62 Meter.

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