Der aktuelle Rekord-Jackpot von 30 Millionen Euro hat in Deutschland ein wahres Lottofieber ausgelöst. Bei Tilman Becker hingegen weckt er ein rein wissenschaftliches Interesse. Als Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim geht er dem Sinn und Unsinn des Tippens auf den Grund.
SZ: Herr Becker, je höher der Jackpot, desto mehr Menschen spielen Lotto. Die Zahl potentieller Gewinner, mit denen man seinen Gewinn nachher teilen muss, steigt also. Lohnt sich Lottospielen damit überhaupt bei einem hohen Jackpot?
Becker: Als wirtschaftliche Aktivität lohnt sich Lotto nie. Der Einsatz bringt eine durchschnittliche Ausschüttungsquote von 50 Prozent. Wenn Sie einen Euro investieren, bekommen Sie also im Schnitt 50 Cent wieder raus - nur dass es um sehr viel höhere Summen geht, die nach dem Zufallsprinzip unter sehr viel weniger Menschen aufgeteilt werden.
SZ: Aber wenn ich kein Betriebswirt bin, sondern einfach irgendein Spieler, der reich werden will: Sollte ich dann eher bei niedrigerem Gewinn tippen, weil es dann weniger Mitbewerber gibt?
Becker: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Es kommt ganz darauf an, wie viel Geld durch wie viele Gewinner geteilt werden muss. Damit sich das Tippen bei einem höheren Jackpot eher lohnt als bei einem niedrigen, muss die Gewinnsumme prozentual stärker steigen als die Zahl der Spieler.
SZ: Aber das kann man doch vorher gar nicht wissen.
Becker: Immerhin weiß man, um wie viel Prozent der Gewinn steigt. Der zweite Faktor der Gleichung, die Spielerzahl, lässt sich höchstens aufgrund von Erfahrungswerten schätzen.
SZ: Und was sagen Ihre Erfahrungswerte nun: Wann sollte man eher seinen Einsatz machen?
Becker: Wer partout zocken will, hätte wohl bei einem hohen Jackpot mehr Aussicht auf einen großen Gewinn. Da kann man auf eine bessere Ausschüttungsquote hoffen.
SZ: Das müssten Sie bitte genauer erklären. Sie haben doch gesagt, diese Quote liegt bei 50 Prozent?
Becker: Da muss man zwei Töpfe unterscheiden: Der erste ist die Gewinnsumme aus den Einsätzen der jeweiligen Runde, der zweite ist der Jackpot. Die Ausschüttungsquote von 50 Prozent bezieht sich auf den ersten Topf, denn nur in den zahlt man schließlich bei einer neuen Runde ein. Den Jackpot aber vergrößert man ja mit seinem Einsatz nicht - er wurde aus vorherigen Spielen gespeist. Deshalb wird bei den Ziehungen mit hohem Jackpot im Durchschnitt mehr ausgeschüttet. Das gilt aber ausschließlich dann, wenn man sechs Richtige mit Zusatzzahl getippt hat. Wer nur sechs Richtige oder weniger hat, bleibt bei 50 Prozent.
SZ: Jetzt mal ehrlich, finden Sie nicht, dass das für die Spieler fast undurchschaubar ist?
Becker: Nun, daher sprechen wir ja auch von Glücksspiel.