Gewalt in Tottenham:Randale erschüttert London

Brennende Polizeiautos, Läden in Flammen, Jugendliche rasten aus - der Londoner Stadtteil Tottenham hat eine Nacht brutaler Gewalt erlebt. Anlass für die Randale: Spezialkräfte hatten vor Tagen einen 29-jährigen Familienvater in einem Taxi erschossen, unter ungeklärten Umständen.

Randale in London: Krawallmacher bewarfen Polizisten am Samstagabend mit Flaschen, setzten zwei Einsatzfahrzeuge, einen Bus und Häuser in Brand - 26 Beamte wurden verletzt, einer musste in einem Krankenhaus behandelt werden. Auslöser der Krawalle: ein Protest gegen einen Polizeieinsatz, bei dem am Donnerstag ein 29-jähriger Mann getötet worden war.

Police officers wearing riot gear walk past a burning building in Tottenham

Polizisten in der Nacht in Tottenham: Gewalt nach der tödlichen Schießerei

(Foto: Reuters)

Der Mann, ein Familienvater mit vier Kindern, saß in einem Taxi, das von einem Sonderkommando angehalten wurde - im Zuge von Ermittlungen gegen organisierte Banden und Waffenkriminalität. Die unabhängige Polizeiaufsichtsbehörde (IPCC) hat mitgeteilt, danach seien Schüsse gefallen, vermutlich zwei aus der Waffe eines Polizisten. Außerdem sei eine nicht von der Polizei registrierte Waffe am Tatort gefunden worden. Womöglich habe es einen Schusswechsel gegeben, denn im Funkgerät eines Polizisten sei später eine Kugel gefunden worden. Nach Darstellung der Polizei hatte der 29-Jährige zuerst geschossen, und das Funkgerät habe einem Beamten das Leben gerettet.

Die Demonstration am Samstagabend in Tottenham richtete sich gegen das Vorgehen der Polizei. Zunächst wurde friedlich protestiert, rund 200 Menschen versammelten sich vor einer Polizeiwache im Stadtteil Tottenham, um um den 29-Jährigen zu trauern. Dann geriet die Lage außer Kontrolle. Hunderte Randalierer hätten Brandbomben geworfen und Schaufenster zertrümmert, sagte ein Polizeisprecher. Zwei Polizeiautos, ein Doppeldecker-Bus und Geschäfte seien angezündet worden. Vermummte Jugendliche setzten Mülltonnen in Brand und warfen sie auf Polizisten. Journalisten berichteten von Plünderungen. Fernsehteams mussten sich zurückziehen, da die Randalierer auch Übertragungswagen angriffen. Die Polizei musste Feuerwehrleute eskortieren, um die Brände zu löschen.

Spezialkräfte bekamen die Lage erst spät unter Kontrolle. Sperren wurden errichtet, berittene Beamte versuchten, die Menge auseinanderzutreiben. Augenzeugen zufolge waren auch Menschen aus anderen Londoner Stadtteilen gekommen, sogar aus dem rund eine Autostunde entfernten Londoner Süden. 42 Menschen wurden festgenommen. Es waren die schwersten Ausschreitungen in einem Londoner Außenbezirk seit Jahren.

Der britische Unterhausabgeordnete für Tottenham, David Lammy, rief am Sonntag zur Ruhe auf. "Diejenigen, die sich an die destruktiven Konflikte der Vergangenheit erinnern, sollten entschlossen sein, nicht dorthin zurückzukehren." In dem Londoner Stadtteil, der vor allem für seinen Erstliga-Fußballverein Tottenham Hotspurs bekannt ist, war 1985 bei den schlimmsten Ausschreitungen in Großbritannien seit 30 Jahren ein Polizist getötet worden. Ein Sprecher von Londons Bürgermeister Boris Johnson warnte, Gewalt und Zerstörung würden die Ermittlungen der IPCC nicht erleichtern.

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