Süddeutsche Zeitung

Getöteter Obdachloser:Polizisten ermitteln auf dem Friedhof

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Auf und rund um den Koblenzer Hauptfriedhof sind an diesem Samstag nicht nur Trauernde unterwegs, sondern auch Beamte der Kriminalpolizei. Sie laufen über den Friedhof, sprechen Passanten an und klingeln auch an etwa 1000 Häusern in der näheren Umgebung.

Ihr Ziel: Ein Verbrechen aufzuklären, das der zuständige Oberstaatsanwalt Rolf Wissen als "außergewöhnlich brutal und menschenverachtend" beschreibt.

Am Freitag vor einer Woche wurde am Nachmittag in der Nähe des sogenannten Pulverturms auf dem Hauptfriedhof eine enthauptete Leiche gefunden. Getötet wurde der Mann wenige Stunden zuvor. Über die Ergebnisse der Obduktion und die genaue Vorgehensweise des oder der Täter sagt die Polizei nichts. Ermittlungstaktische Gründe.

Relativ schnell stand fest, wer der Tote ist: ein 59-jähriger Obdachloser. Auch die Lebensgeschichte des Mannes hat die Polizei ermitteln können: Der Mann, der in Köln aufgewachsen ist, war seit vielen Jahren ohne festen Wohnsitz und übernachtete häufig auf dem Friedhof. Bis Ende der neunziger Jahre war er Kunsthändler und betrieb in Koblenz ein Geschäft. Nach der Schließung des Geschäfts war er überwiegend obdachlos.

Der Mann sei "sehr gepflegt" gewesen, habe keinen Alkohol und keine Drogen genommen und sehr darauf geachtet, nicht als wohnsitzlos wahrgenommen zu werden, sagte Thomas Lauxen, der Leiter der Sonderkommission. Bekannte hätten den Mann als zurückhaltend beschrieben. Der Getötete habe auch einen Führerschein besessen und sich regelmäßig Fahrzeuge gemietet, mit diesen habe er etwa bei Musikfestivals von ihm gesammelte Pfandflaschen transportiert.

"Wir führen die Ermittlungen in alle Richtungen", sagte Jürgen Süs vom Polizeipräsidium Koblenz. 35 Beamte hat die Soko "Hauptfriedhof". Von der Aktion am Karsamstag erhofft sich die Polizei Hinweise auf den Täter. Vielleicht hat jemand in der Nacht von Donnerstag auf Freitag oder am frühen Freitagmorgen vor einer Woche Beobachtungen gemacht, die der Soko weiterhelfen können. Die Beamten verteilen auch Flugblätter, auf denen zwei Fotos des Toten zu sehen sind. Außerdem fragen die Fahnder, ob jemand das Opfer gekannt habe, dessen eventuelle Kontaktpersonen kenne oder Zeuge von Streitigkeiten geworden sei.

Die Staatsanwaltschaft hat eine Belohnung von 10 000 Euro ausgesetzt für Hinweise, die zur Aufklärung des Verbrechens führen.

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