Süddeutsche Zeitung

Gesten: Beispiel Wiedeking:Freudsche Finger

Manchmal unterbewusst, manchmal als gezielte Provokation. Gesten sagen mehr als Worte. Von Mittelfinger bis Vogel, von Wiedeking bis Ackermann. Eine Auswahl.

Johann Osel

Manchmal unterbewusst, manchmal als gezielte Provokation. Gesten sagen mehr als Worte. Von Mittelfinger bis Vogel, von Wiedeking bis Ackermann. Eine Auswahl.Auf den ersten Blick unspektakulär: Bei einer Aufzählung während seiner Rede streckt Porsche-Chef Wendelin Wiedeking den rechten Mittelfinger in die Höhe. Zwar sicherlich nicht bewusst, die Geste beschreibt die Umstände aber ganz gut.Die Hauptversammlung der VW-Tochter Audi in Neckarsulm war Wiedekings erste Begegnung mit Aufsichtsratsmitglied und Großaktionär Ferdinand Piëch nach dessen Demontageversuch.Eine direkte Auseinandersetzung fand vor den Aktionären nicht statt. Und Piëch vermied während der Aktionärsversammlung in Neckarsulm den Blickkontakt mit ihm. Wohl auch besser so.Foto: ddp

Olympischer Geist sieht anders aus: Sie lag bereits in Führung, nach dem Schlussspurt gegen die Australierin Sara Carrigan musste sich die deutsche Radfahrerin Judith Arndt aber mit dem zweiten Platz begnügen.Mit dem Stinkefinger machte sie klar, wie ihr zumute war. Geschehen bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen.Foto: dpa

Ebenso machte es der Fußballer Stefan Effenberg, der sportliche Großmeister des Stinkefingers. Die Bezeichnung "Effe-Finger" hat sich bis heute gehalten.Als er bei der Fußball-WM 1994 in den USA den unzufriedenen deutschen Fans den erhobenen Mittelfinger entgegenstreckte, schickte ihn der Deutsche Fußballbund nach Hause.Foto: Getty

Von einem zweimaligen Weltfußballer des Jahres ist man besseres gewohnt: Beim Champions League-Spiel zwischen Werder Bremen und dem FC Barcelona 2006 machte Barcelonas Ballkünstler Ronaldinho nach einer Schiedsrichter-Entscheidung eine eindeutige Geste.Die hat schon fast Tradition im Fußball. Erst im September 2008 zeigte VFB-Stuttgart-Torhüter Jens Lehmann dem Schiedsrichter nach einer Fehlentscheidung den Vogel. Der Schiri hat es nicht gesehen, Lehmann blieb straffrei. Allerdings diskutierte die Boulevardpresse tagelang über die "Vogel-Affäre".Foto: dpa

Bekannt für seine Faxen: Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi nutzte ein EU-Treffen im Februar 2002 für zweifelhafte Fingerspiele. Hinter dem spanischen Außenminister Josep Pique zeigte er Teufelshörner. Diese heißen in Italien Mano cornuto und gelten als vulgär.Auch mit Worten lässt es Berlusconi auf EU-Ebene gerne krachen. Kurze Zeit später empfahl er den deutschen Europa-Abgeordneten Martin Schulz für eine Filmrolle als KZ-Aufseher.Foto: AFP

Das Foto hat in Deutschland Wirtschaftsgeschichte geschrieben: Denn ein Strafprozess um umstrittene Abfindungszahlungen in Millionenhöhe ist normalerweise kein Grund zum Scherzen.Beim Mannesmann-Prozess im Sommer 2004 gab sich der Vorstandschef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, betont locker. Heiter begrüßte er den Mitangeklagten Klaus Esser, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Mannesmann AG, mit dem Victory-Zeichen.Die Geste steht bis heute symbolisch für die Arroganz der Macht, für Stillosigkeit, Raffgier und Zynismus. Diesen Ruf wird Ackermann seither in Deutschland nicht mehr los.Foto: dpa

Eigentlich sollten Penis-Größen nicht das bevorzugte Metier von Hella von Sinnen sein. Schließlich ist die Entertainment-Bombe seit einer halben Ewigkeit eine bekennende Lesbe.Die verächtliche Genital-Geste hat sie dennoch im Repertoire, wie hier bei einer Szene aus der Comedy-Sendung "Genial daneben" von 2005.Foto: dpa

"Ich habe fertig" und "Wie eine Flasche leer" - der grammatikalisch haarsträubende Wutausbruch von Giovanni Trapattoni wäre ohne passende Gestik nur halb so amüsant gewesen. Als Trainer des FC Bayern München platzte dem Italiener bei einer Pressekonferenz im März 1998 der Kragen.Zwei Tage zuvor hatte sein Team 0:1 gegen den FC Schalke 04 verloren. Der Finger an der Stirn galt dem einen oder anderen hochdekorierten Bayern-Spieler, der sich zu dieser Phase der Saison vollkommen außer Form präsentierte.Foto: dpa

Als ob Horst Seehofer mit einer Körpergröße von stolzen 1,93 Metern, der stämmigen Statur und der tiefen Stimme nicht schon einschüchternd genug wäre, muss er auch noch den Zeigefinger drohend heben.Der bayerische Ministerpräsident droht nur allzu gerne: der Kanzlerin und der Schwesterpartei zum Beispiel, oder den Koalitionspartnern in Bund und Bayern. Darauf hat sich Seehofer schon immer gut verstanden, auch als Bundeslandwirtschaftsminister. Auf dem Bild soll gerade den Nahrungsmittelkonzernen auf die Sprünge geholfen werden.Foto: dpa

Wenn Klaus Kinski zornig wurde, dannn richtig. Nebst fürchterlichen Flüchen und wüsten öffentlichen Beschimpfungen gehörten die Hände stets zum Zornes-Handwerkszeug. Legendär sind Kinskis Auseinandersetzungen mit dem Regisseur Werner Herzog während Dreharbeiten.Dieses Bild zeigt ihn 1985 bei einer Pressekonferenz. Die Gestik erinnert fast schon an Handgriffe beim Erwürgen.Foto: dpa

Schlimmer kann man wohl kaum provozieren: Der Mittelfeldspieler Paolo Di Canio, Kapitän des italienischen Vereins Lazio Rom, hob im März 2005 beim Derby gegen den Lokalrivalen AS Rom den rechten Arm zu seinen Fans in der Kurve: der faschistische Mussolini-Gruß beziehungsweise Hitlergruß.Di Canio bezeichnet sich auch selbst als Faschist. Teile der Lazio-Anhängerschaft gelten als rassistisch und gewaltbereit.Der italienische Fußballverband verdonnerte ihn zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro. Di Canio akzeptierte das Urteil nicht, sondern wiederholte den Gruß prompt in einem weiteren Spiel. Die Folge: eine neue Geldstrafe sowie eine Spielsperre in der italienischen Liga.Foto: AP

Was wäre eine gesalzene Fastenpredigt ohne den Einsatz der Hände. Der Kabarettist Bruno Jonas, der für den politischen Nockherberg-Starkbieranstich in München einst in die Rolle des Bruder Barnabas schlüpfte, unterstich seine Standpauke mit zackigen Gesten. Der Lerneffekt bei den Politikern blieb allerdings aus.Foto: ddp

Hat da einer der Superstars vielleicht falsch gesungen? Musikproduzent Dieter Bohlen, vulgo Pop-Titan, greift sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.Tatsächlich stammt das Bild von der Frankfurter Buchmesse, es ging aber um besagte Superstars. Konkret um das von ihm befürchtete Abheben der jungen Sänger nach den ersten Erfolgen. Also: Immer schön auf dem Teppich bleiben.Foto: ddp

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