Gesellschaft:Sterben dürfen

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Es ist ein unerhörter Vorgang - zumal im katholischen Spanien: Eine schwer kranke Frau hat sich das Recht auf den eigenen Tod erkämpft. Sie will als "Kämpferin" in Erinnerung bleiben. Doch die Kirche ist empört.

Javier Caceres

Miguel Martín ist Leiter des Krankenhauses San Rafael im andalusischen Granada und zudem Bruder des katholischen Ordens San Juan de Dios; auch deshalb bat er darum, keine Fragen beantworten zu müssen, als er am Freitag vor die Presse trat.

Inmaculada Echevarría (Foto: Foto: AFP)

Der Inhalt seiner Mitteilung war brisant, denn er läuft darauf hinaus, dass Inmaculada Echevarría, 51, ihren Wunsch, sterben zu dürfen, in dem gleichen Spital erfüllt sehen wird, in dem sie seit nun zehn Jahren liegt: in einem konfessionell geführten Krankenhaus. Ein unerhörter Vorgang, zumal im überwiegend katholischen Spanien.

Seit ihrem elften Lebensjahr leidet Echeverría an einer erblich bedingten, degenerativen Erkrankung der Skelettmuskulatur. Mit 20 wusste sie, dass sie ans Bett gefesselt sein würde, zehn Jahre später konnte sie sich kaum noch bewegen. Sie wurde zuerst in ein Kloster verlegt; als ihre Krankheit sich verschlimmerte und sie sowohl ihre Eltern als auch ihren Partner verlor, kam sie in das Krankenhaus, in dem sie noch immer liegt.

Mittlerweile reagieren nur noch ihre Zehen und Finger - und ihre immer schwächere Gesichtsmuskulatur. Es war Ende November, als sie ihren Wunsch formulierte, die Beatmungsmaschine abzuschalten, an der ihr Leben hängt.

Nachdem sie ihr Schicksal öffentlich gemacht hatte, wurde bekannt, dass sie ihren Sohn zur Adoption freigegeben hatte, als dieser ein Baby war. Seither haben sich quälende Debatten hingezogen, sie kreisten um die Frage, ob ihr Wunsch als - illegale - Sterbehilfe gewertet werden müsse, oder ob es sich um das gesetzlich verbriefte Recht handele, eine Behandlung abzulehnen.

Mitte vergangener Woche kamen die Ethikkommission sowie das rechtliche Beratungsorgan der Regionalverwaltung Andalusiens, dem 20 Rechtswissenschaftler angehören, zu dem fast einstimmig gefassten Schluss, dass weder ethische noch rechtliche Bedenken bestünden, Echevarrías Wunsch zu respektieren.

Vorausgesetzt, sie habe sich nachweislich frei entschieden und sei keinem Druck von Dritten ausgesetzt gewesen. Sie ist, das ist unbestritten, im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. So erschreckend es auch anmutet, wenn sie sagt, dass die Entscheidung der Behörden ,,das Beste'' sei, was ihr je widerfahren sei.

Der konservativen und kirchlich geprägten Zeitung ABC vertraute sie an, dass sie nicht wisse, ob sie lieber früher oder später sterben wolle. ,,Dies ist eine Frage, die nur sehr schwer zu beantworten ist.'' Sie wisse nur eins, dass sie keinen Schritt zurückweichen wolle. Und dass man sie als eine ,,Kämpferin'' in Erinnerung behalten solle.

Als sie diese Worte sprach, hatte der stellvertretende Vorsitzende der spanischen Bischofskonferenz, Antonio Cañizares, längst seine Empörung zum Ausdruck gebracht. Es sei ein weiterer Schritt hin zur ,,Legalisierung der Sterbehilfe'', die ,,stets illegitim'' bleibe, und ,,gegen den Menschen, das Leben, seine Würde'' verstoße.

Auch vor diesem Hintergrund versucht das Hospital in Granada, den Fall aus den Schlagzeilen zu bringen. In dem Kommuniqué bat die Klinik die Medien darum, das Recht auf Intimsphäre der Patientin zu respektieren.

,,Alle Handlungen, die von nun an vorgenommen werden, finden in dem Rahmen strikter Vertraulichkeit statt, der den Beziehungen zwischen Arzt und Patienten entspricht'', hieß es. Man wolle gewährleisten, dass Echeverría von ihrem bisherigen Ärzteteam betreut werde und all die Aufmerksamkeit erhalte, die sie benötige, sowohl medizinisch-technisch als auch menschlich.

Offen ist, wann ihr Tod herbeigeführt wird. Laut El País hat sie um Zeit gebeten, um sich von einigen Menschen zu verabschieden. Doch sie habe erstmals das Gefühl, dass ihr Leben nur ihr gehöre.

© SZ vom 5.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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