Jahrestag der Germanwings-Katastrophe:Trauern via Twitter

Lesezeit: 2 min

Die Gedenkstelle für die Opfer der Germanwings-Absturzes in Haltern am See. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Fünf Jahre ist es her, dass bei der Germanwings-Flugzeugkatastrophe in den französischen Alpen 150 Menschen starben. Die Corona-Krise verhindert öffentliches Gedenken.

Von Oliver Klasen

Die Thuja-Hecke, die die Gemeinde damals gepflanzt hat, um die Gedenkstelle einzuhegen, ist inzwischen hüfthoch gewachsen. Das sieht man auf den Fotos, die die Nachrichtenagenturen dieser Tage aus Le Vernet schicken. Genau wie damals erscheinen die ersten Berggipfel, die sich in einigen Kilometern Entfernung auftürmen, schroff, felsig und grau, während die weiter entfernt liegenden Gipfel mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt sind. Statt frischer Schnittblumen, die damals dort lagen, stehen jetzt Grabkerzen, Windlichter und gerahmte Porträtfotos auf dem Kies.

Genau fünf Jahre ist es nun her, dass ein Airbus der Gesellschaft Germanwings - Flugnummer 4U9525 - in den französischen Alpen abstürzte. 150 Menschen kamen am 24. März 2015 ums Leben, die meisten von ihnen aus Deutschland und Spanien, auch 16 Schüler und zwei Lehrerinnen aus Nordrhein-Westfalen, die auf dem Rückweg von einem Schüleraustausch in Spanien waren. Relativ schnell, bereits am Tag nach dem Absturz, machte die zuständige Staatsanwaltschaft in Marseille öffentlich, was sie für die Ursache des Unglücks hielt: Der Copilot hatte die Maschine in suizidaler Absicht gegen den Berg gelenkt. So wurde es später auch im offiziellen Bericht der Flugunfallermittler bestätigt.

Germanwings-Katastrophe
:Die Wahrheit des Günter Lubitz

Am zweiten Jahrestag der Germanwings-Katastrophe tritt der Vater des Kopiloten vor die Presse. Er zweifelt die offizielle Version der Ermittler an: Sein Sohn sei zum Zeitpunkt des Unglücks nicht depressiv gewesen.

Von Oliver Klasen

Le Vernet, tief in den französischen Seealpen gelegen, 130 Einwohner, ein paar Chalets für Feriengäste, wäre normalerweise voller Menschen gewesen an diesem Dienstag. Angehörige der Absturzopfer wären gekommen, vielleicht auch ein paar Politiker, Vertreter der Lufthansa, zu der Germanwings, die es inzwischen nicht mehr gibt, gehörte.

Doch nichts ist normal in diesen Tagen. Weil die Corona-Pandemie weltweit den Alltag bestimmt, muss das Gedenken an die Absturzopfer weitgehend im Privaten stattfinden und die Erinnerung an die Katastrophe, die sonst ein großes Thema gewesen wäre, geht nahezu unter in all den Corona-Nachrichten.

Trotz der Ausgangssperre in Frankreich, so war es geplant, wird auf dem Friedhof von Le Vernet ein Kranz niedergelegt. Dort gibt es ein Gemeinschaftsgrab, in dem die sterblichen Überreste bestattet wurden, die keinem der Opfer mehr zugeordnet werden konnten.

Der Friedhof, wenige Hundert Meter entfernt von der Gedenkstelle, ist die zweite Stelle in dem kleinen Ort, der von der Germanwings-Katastrophe kündet - und es gibt noch einen dritten, weiter weg in den Bergen, nicht weit entfernt von der Stelle, an der der Airbus am Berg zerschellte.

Ein Künstler aus Deutschland hat dort vor drei Jahren eine Art Sonnenuhr installiert. Sie besteht aus 149 geschmiedeten Stäben, die in den Himmel ragen und im Wind Töne erzeugen. Jeder Stab steht für einen der an Bord von 4U9525 getöteten Menschen. Nur für den Copiloten, Person Nummer 150 an Bord, hat der Künstler keinen Stab vorgesehen, anders als Monate nach dem Absturz bei der Gedenkfeier im Kölner Dom, wo auch für den Copiloten eine Kerze brannte, was einige Angehörige empörte.

Der Opfer gedacht wird an diesem Dienstag auch in Nordrhein-Westfalen, auch wenn das Gedenken vor allem virtuell ausfällt. Armin Laschet, der Ministerpräsident, hat sich auf Twitter mit einer Videobotschaft gemeldet: "Gerade in diesen Zeiten, in denen Angehörige nicht im großen Kreis ihrer Familie Trost und Zuflucht finden können, wünsche ich viel Kraft, Beistand und Mut, weiter nach vorne zu blicken", sagte Laschet. Die Tragödie habe "eine tiefe Wunde" in die Herzen von Eltern, Großeltern, Schwestern, Brüdern, Freunden und Verwandten gerissen. "Wir werden die Opfer des Germanwings-Flugs 9525 nie vergessen."

Der Flughafen Düsseldorf, wo die aus Barcelona kommende Maschine eigentlich hätte landen sollen, hatte bereits am Wochenende mit einer Anzeige in den lokalen Tageszeitungen an die Katastrophe erinnert.

Vor der Gedenktafel am Joseph-König-Gymnasium im westfälischen Haltern am See gedachten am Dienstagvormittag einige Menschen schweigend der Opfer. Ministerpräsident und Schulministerium hatten Trauergestecke geschickt. Die Stadt Haltern hatte an einer Gedenkstätte auf einem Friedhof außerdem einen Trauerkranz aufstellen lassen.

Für Dienstagabend um 19 Uhr ist die Bevölkerung aufgerufen, Kerzen in die Fenster der Häuser zu stellen. Eine stille, würdevolle Form des Gedenkens unter den Bedingungen der Corona-Krise.

© SZ/ick - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusItalien
:In der Todeszone

Nembro ist ein kleines Städtchen in Norditalien. Es könnte in die Geschichtsbücher eingehen als der Ort, an dem proportional die meisten Bürger an Covid-19 starben. Chronologie eines schleichenden Unglücks.

Von Mario Calabresi und Oliver Meiler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: