Süddeutsche Zeitung

Germanwings-Flug 4U9525:Zweiter Pilot war offenbar aus Cockpit ausgesperrt

Lesezeit: 2 min

Offenbar erster Hinweis auf Absturzursache

Weder Lufthansa noch Germanwings können die Information derzeit bestätigen, doch was die französische Nachrichtenagentur AFP und die New York Times berichten, könnte einen ersten entscheidenden Hinweis auf die Ursache des Airbus-Absturzes in Südfrankreich geben: dass zum Zeitpunkt des Unglücks nur ein Pilot im Cockpit war.

Diese Erkenntnis ergibt sich den Berichten zufolge aus einer ersten Auswertung der Stimmenrekorder. Demnach scheint sich in den letzten Momenten von Flug 4U9525 Dramatisches abgespielt zu haben: Bevor die A320 ihren Sinkflug begann, habe einer der Piloten das Cockpit verlassen und anschließend vergeblich versucht, die Tür zu öffnen, um wieder ins Cockpit zu kommen.

Klopfen bleibt ohne Reaktion

"Der Mann draußen klopft leicht an die Tür, aber es gibt keine Antwort", zitiert die NYT einen namentlich nicht genannten Ermittler. "Dann klopft er stärker an die Tür, und wieder keine Antwort. Es gibt keine Antwort. Und dann kann man hören, wie er versucht, die Tür einzutreten." Warum der Mann das Cockpit verließ und warum das Flugzeug in den Sinkflug ging, sei unklar. "Sicher ist, dass ganz zum Schluss des Fluges der andere Pilot allein ist und die Tür nicht öffnet", sagt der Ermittler dem Blatt zufolge. Ungeklärt blieb zunächst, ob es sich bei dem ausgesperrten Besatzungsmitglied um den Piloten oder den Co-Piloten handelte und in welcher Verfassung sich dieser befand.

Nach Informationen von AFP hört man zu Beginn des Fluges normale Unterhaltungen auf dem Sprachrekorder. Die beiden Piloten unterhalten sich auf Deutsch. "Dann hört man das Geräusch, wie ein Sitz zurückgeschoben wird, eine Tür, die sich öffnet und wieder schließt, Geräusche, die darauf hindeuten, dass jemand gegen die Tür klopft. Und von diesem Moment an bis zum Crash gibt es keine Unterhaltung mehr", zitiert die Nachrichtenagentur einen Ermittler.

Am Mittwoch hatten die Behörden bestätigt, dass sie aus der geborgenen Black Box eine Audio-Datei sichern konnten, auf der Stimmen und Geräusche zu hören sind.

Cockpit-Türen von außen nicht zu öffnen

Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sind Cockpit-Türen speziell gesichert, damit Passagiere nicht unbefugt in die Führerkabine gelangen können. An der Tür muss ein Code eingegeben werden, per Gegensprechanlage und Videokameras können die Piloten im Cockpit sehen, wer Zutritt will. In diesem Airbus-Video wird der Mechanismus erklärt.

Suche nach Daten-Black-Box geht weiter

Weder Germanwings noch der Mutterkonzern Lufthansa konnten die Berichte bisher bestätigen. "Wir haben derzeit keine Informationen vorliegen, die den Bericht der New York Times bestätigen", sagte ein Lufthansa-Sprecher am frühen Donnerstagmorgen der Nachrichtenagentur dpa. Man werde sich bemühen, weitere Informationen zu bekommen und "sich nicht an Spekulationen beteiligen". Nahezu wortgleich äußerte sich auch Germanwings in einer schriftlichen Erklärung. "Die Ermittlung der Unfallursache obliegt den zuständigen Behörden", hieß es zudem.

Nach der zweiten Black Box, die die Flugdaten aufzeichnet, wird im Trümmerfeld weiter gesucht. Ohne dessen Daten dürfte die Ermittlung der Absturzursache äußerst schwierig werden. Bisher konnte nur der Behälter geborgen werden, der den Flugschreiber enthielt.

Ein Protokoll der Ereignisse an Bord des Airbus

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2411110
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/AFP/dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.