Süddeutsche Zeitung

Gentrifizierung:"Wir sind Gemüseladen"

Von Verena Mayer, Berlin

Gemüseladen passte nicht ins neue Konzept

Manchmal klingen Gentrifizierungsgeschichten wie Märchen. Zum Beispiel diese hier: der Berliner Gemüsehändler Ahmet Çalışkan soll den Laden verlieren, den er 28 Jahre zuvor im Bezirk Kreuzberg aufgebaut hat.

Das Haus, in dem sich der Gemüseladen befindet, wurde an eine Immobilienfirma verkauft, und die will keinen Gemüseladen mehr in dem Haus, sondern hochpreisige Eigentumswohnungen. Çalışkans Gewerbemietvertrag wurde gekündigt, im September sollte Schluss sein, Alltag in der Großstadt.

Hunderte demonstrierten jede Woche

Doch dann erfahren die Nachbarn davon und schließen sich zusammen, um für ihren Gemüseladen zu kämpfen. Jeden Mittwoch treffen sie sich vor Çalışkans Laden und demonstrieren, seit Mai geht das schon so. Diese Woche fanden sich wieder Hunderte ein, brachten Transparente oder riefen "Wir sind Gemüseladen", dazu kamen Schriftsteller wie David Wagner, Annika Reich und Jan Brandt und lasen ihre eigenen Gentrifizierungsgeschichten vor.

Ahmet Çalışkan sorgt längst über Berlin hinaus für Schlagzeilen, selbst asiatische Medien haben über den kleinen Laden berichtet, der einer großen Veränderung trotzen will.

Kündigung zurückgenommen

Mittwochabend gab es dann ein märchenhaftes Ende. Wie die Anwohnerinitiative "Bizim Kiez" mitteilte, haben sich der Gemüsehändler und die Anwälte der neuen Hausbesitzer zu Gesprächen getroffen und schließlich geeinigt. Die Kündigung wurde zurückgenommen, Çalışkans Laden darf bleiben. Zumindest vorerst. Denn ob er einen neuen Vertrag bekommt und sein Laden in einer sich verändernden Umgebung bestehen wird, ist ungewiss. Hier unterscheidet sich Ahmet Çalışkans Story vom Märchen: Die wahren Geschichten fangen mit dem Happy End erst an.

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