Süddeutsche Zeitung

Gentech-Reis:Nie zugelassen, aber weit verbreitet

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Konventioneller Reis ist offenbar europaweit mit gentechnich veränderten Körnern kontaminiert auf den Markt gelangt. Möglicherweise breitet sich das nicht zugelassene Saatgut bereits seit Jahren unbemerkt aus.

Konventioneller Reis, der mit gentechnisch veränderten Körnern kontaminiert ist, ist in Europa möglicherweise bereits seit Januar im Handel - und vielleicht sogar schon viel länger.

Bereits im Januar 2006 hatte es in den USA erste Hinweise darauf gegeben, dass die nicht zugelassene Reissorte LLRice 601 zusammen mit konventionell angebautem Langkorn in den Handel gelangt war.

Erst daraufhin stellte der Vermarkter des konventionellen Produkts - die Firma Riceland -weitere Untersuchungen an. Nachdem LLRice 601 auch in weiteren Proben entdeckt worden war, wandte sich Riceland an die Herstellerfirma Bayer Crop Science, die im Juli wiederum das US-Landwirtschaftsministerium informierte.

Mitte August gab US-Landwirtschaftsminister Mike Johanns schließlich die Informationen an die EU-Kommission und die zuständigen Stellen in Asien weiter.

Die US-Behörde erklärte, in mehreren US-Bundesstaaten sei herkömmlich angebauter Reis mit der gentechnisch manipulierten Sorte LL 601 kontaminiert worden. Allerdings konnten die Amerikaner keine Auskunft geben über den Umfang der Verunreinigung oder ihre Ursache.

Vom US-Markt hat die US-Regierung den verunreinigten Reis nicht genommen, da sie nicht von gesundheitlichen Risiken ausgeht. Die Landwirtschaftsbehörde hatte die von Bayer zur Verfügung gestellten wissenschaftlichen Daten zu LLRice 601 durchgesehen und war zu der Überzeugung gelangt, dass der Reis unbedenklich sei.

Import-Stopp in Japan, Einfuhrbeschränkungen in der EU

Japan verhängte allerdings einen Import-Stopp für Langkorn aus den USA. Und die EU verfügte Einfuhrbeschränkungen für diese Produkte. Die Europäische Kommission ordnete für alle Ladungen Langkorn-Reis den Nachweis, dass keinerlei gentechnisch veränderte Produkte enthalten ist.

Denn: In der EU ist man erheblich vorsichtiger als in den USA, was die Gefahren angeht, die möglicherweise von gentechnisch veränderten Produkten ausgehen können. So reicht es den amerikanischen Behörden manchmal schon, wenn Hersteller belegen können, dass Substanzen, mit denen sie Pflanzen ausgestattet haben, bereits in anderen Organismen im Einsatz sind.

Wie die Test in der Europäischen Union nun zeigen, ist der kontaminierte Reis in Europa bereits in den Handel gekommen: Mehr als jede fünfte Probe Langkornreis in Europa enthält den verbotenen Genreis.

Dieses Ergebnis von Testreihen der Industrie hat die Europäische Kommission nach einem Treffen von Lebensmittelexperten aller 25 Mitgliedstaaten in Brüssel veröffentlicht.

33 von 162 Proben kontaminiert

Die Firmen des europäischen Verbands der Reismühlen hätten 162 Proben auf den gentechnisch veränderten Reis aus den USA untersucht. In 33 Fällen seien sie fündig geworden.

Auch in einer Schiffsladung Reis, die seit mehr als zwei Wochen im Hafen von Rotterdam festgehalten wird, wurde LLRice 601 nach Angaben der niederländischen Behörden gefunden. Drei Teilladungen der insgesamt 20.000 Tonnen Reis seien verunreinigt gewesen. 20 Teilladungen seien hingegen negativ getestet worden.

Alle Lieferungen, die den verbotenen Genreis enthielten, wurden inzwischen gestoppt oder vom Markt genommen, versicherte die Branche nach Kommissionsangaben.

Allerdings schließt man in der Brüsseler Behörde nicht aus, dass möglicherweise schon seit Januar oder noch früher kontaminierter Reis auf den europäischen Markt gelangt ist.

Mehrere EU-Staaten haben laut Kommission erklärt, erst in ein bis zwei Wochen mit aussagekräftigen Testreihen beginnen zu können. Brüssel forderte die Mitgliedstaaten zu größeren Anstrengungen bei den Untersuchungen auf.

Keine Zulassung angemeldet

Für den Reis wurde nie eine Zulassung für die USA, Europa oder Japan angemeldet und die Pflanzen wurden deshalb nie im großen Rahmen angebaut. Auch gegenwärtig baut Bayer nach eigenen Angaben LLRice 601 nirgendwo auf der Welt an oder vermarktet das Produkt. In den USA bemüht sich die Firma inzwischen um eine Genehmigung - auch wenn der Reis weiterhin nicht vermarktet werden soll.

Offen ist noch immer, wie der gentechnisch veränderte Reis in die konventionelle Ware gelangen konnte.

LLRice 601 wurde in den Jahren 1998 bis 2001 in den USA auf Versuchsfeldern angebaut. Der Entwickler Aventis Cropscience hatte die Pflanze mit einer Resistenz gegen das Pflanzenschutzmittel Liberty Link (Basta) ausgestattet, das ebenfalls ursprünglich von Aventis vermarktet wurde. 2002 wurde die Firma von der Bayer AG aufgekauft.

Annette Josten von Bayer bestätigte sueddeutsche.de, dass es mit der Reissorte zwar Feldversuche gegeben habe. Diese seien aber eingestellt worden, weil man eine "überlegene" Reissorte entwickelt habe. Sicherheitsbedenken habe es nicht gegeben - was das US-Landwirtschaftsministerium offenbar ähnlich sieht.

Wie LLRice 601 in die konventionelle Ware "hineingelangt" ist, ist Josten zufolge ungeklärt.

Möglich sind mindestens mehrere Wege:

So könnte während der Feldversuche Blütenstaub von den gentechnisch veränderten Reissorte auf benachbarte konventionelle Reisfelder gelangt sein und dort Pflanzen befruchtet haben. Das würde bedeuten, bereits seit 1998 könnten konventionelle Waren mit verunreinigt sein.

Eine andere Möglichkeit ist, dass Körner gentechnisch veränderter Pflanzen sich mit konventionellen Reiskörnern in Containern oder Verarbeitungsmaschinen vermischt haben. Ein solcher Vorgang ist zum Beispiel von Sojapflanzen bekannt.

Ein dritter - aber eher unwahrscheinlicher - Weg ist der über dritte Organismen wie Bodenbakterien.

Laut einer Untersuchung der Louisiana State University wurden bereits 2003 Spuren von LLRice 601 in Saatgut nachgewiesen. Der Reis könnte demnach in ein Zuchtprogramm gelangt sein und sich so weiter verbreitet haben.

Der Weg, den das gentechnisch manipulierte Saatgut offenbar von den amerikanischen Versuchsfeldern aus dem Jahre 1998 bis auf den europäischen Markt 2006 genommen hat, belegt nach Einschätzung von Gentech-Kritikern, dass die Ausbreitung solcher Pflanzen weder vorhersehbar noch kontrollierbar ist. Und das gilt auch für die Auswirkungen der Technik auf die Umwelt und die Menschen.

Die Umweltorganisation Greenpeace fordert deshalb, den Anbau von Gen-Pflanzen ganz zu verbieten, um Landwirtschaft und Lebensmittel zu schützen.

Gerade wenn es um Reis geht, könnten die Folgen besonders gravierend sein. Denn Reis ist ein Grundnahrungsmittel in weiten Teilen der Welt. Das bedeutet: Gerade gentechnisch veränderter Reis könnte sich auch schnell und ungewollt weltweit ausbreiten.

Klage gegen Bayer

Die Reaktion der Europäer und Japaner hat in den USA übrigens zu einem Preisverfall beim Reis geführt, wofür amerikanische Landwirte inzwischen den Hersteller von LLRice 601 verantwortlich machen.

Ende August reichten Farmer deshalb eine Klageschrift gegen die Bayer-Tochter Crop Science beim Bezirksgericht in Little Rock im Bundesstaat Arkansas ein. Sie werfen der Firma vor, sie hätte nicht verhindert, dass der nicht zugelassene Reis auf den Markt gelangt sei.

Für die Farmer ist die Klage fast so etwas wie eine kleine Revanche: Bauern in den USA und Kanada wurden von Saatgut-Konzernen wie Monsanto in der Vergangenheit immer wieder verklagt, weil sie angeblich patentgeschütztes Saatgut verwendet hatten, dass nicht vom Hersteller gekauft worden war.

Bekannt geworden war etwa der Fall des kanadischen Farmers Percy Schmeiser, der nach eigenen Angaben kein Monsanto-Saatgut verwendet hatte. Seine Felder, so Schmeiser, waren mit gentechnisch verändertem Saatgut von benachbarten Äckern verunreinigt worden.

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