Generelles Rauchverbot:Österreichs Sieg gegen die "Nikotin-Taliban"

Hans Weigel

Wie modern! Theaterkritiker Hans Weigel (1908-1991) raucht in einem Wiener Kaffeehaus (1962).

(Foto: picture-alliance / IMAGNO/Barbar)

Die FPÖ hat das generelle Rauchverbot in Gaststätten abgewendet. Ärzte und die Krebshilfe protestieren - doch ihnen stehen viele leidenschaftliche Raucher gegenüber.

Von Peter Münch, Wien

Im "Centimeter" bei den Stadtbahnbögen im 18. Wiener Gemeindebezirk sind sie stolz auf ihr Schnitzel, das in der Speisekarte als "riesig" beworben wird. Tellergroß kommt es aus der Küche, goldbraun gebraten, und als Zugabe wird es auf dem Weg zum Gast auch noch geräuchert. Denn das Centimeter ist ein Wirtshaus wie aus der guten alten Zeit, die als solche gern von jenen verklärt wird, die sie überlebt haben. Hier wird gequalmt, bis die Aschenbecher überquellen. Unten in der gemütlichen Stube ist der Raucherbereich, oben im ersten Stock gibt es noch eine Nichtraucherzone. "Wir sind das demokratischste Land der Welt", sagt Heinz Pollischansky, der Wirt. "50 Prozent für die Raucher, 50 für die Nichtraucher. Was kann es Schöneres geben?"

Pollischansky, der in den Boulevard-Blättern seiner sieben gut gehenden Lokale wegen als Szene-Wirt firmiert, ist die Speerspitze jener Bewegung, die für ein freies Tschickistan kämpft. "Tschick" ist die Zigarette in Österreich, und der Kampf ums Rauchen ist ein Kulturkampf. Zum Protest-Pofeln hatte Pollischansky neulich Promis und Politiker wie den FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eingeladen. Gegen die "Nikotin-Taliban" haben sie gewettert und gewarnt, dass die Verbotsfetischisten als Nächstes bestimmt den Alkohol oder den Schweinsbraten ins Visier nähmen. Am Ende hat die FPÖ die Rauchfreiheit zur Koalitionsbedingung gemacht und die Rücknahme eines Gesetzes erzwungen, das von Mai 2018 an ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie vorgesehen hätte.

Der Wirt raucht selber nicht. Raucher mag er trotzdem. Weil sie mehr konsumieren

Stattdessen bleibt nun alles ungefähr so, wie es seit 2009 ist: Geraucht werden darf weiterhin in vorgegebenen Raucherbereichen. In Gaststätten, die kleiner sind als 75 Quadratmeter, kann der Wirt entscheiden, ob er sie als Raucher- oder Nichtraucherlokal führen will. Pollischansky übrigens ist Nichtraucher, "immer schon gewesen", sagt er. Für ihn geht es ums Geschäftliche und ums Grundsätzliche. "Wir wollen uns einfach nicht bevormunden lassen", erklärt er, "der Markt soll bestimmen, was die Gastronomen machen, und nicht die Politik." Und der Markt zeigt ihm ganz klar, "dass der Raucher der bessere Konsument ist". Die anderen, meint er, essen nur schnell was und gehen wieder. "Was sollen die auch sonst noch hier?"

Der Wirt also ist zufrieden, dass das Kippenverbot gekippt wurde, und die Gäste sind es allem Anschein nach auch. Im Centimeter trifft sich eher nicht das Publikum, das abends durch den 1. Bezirk stöckelt. Wer hier einen Bart trägt, ist kein Hipster, sondern einfach nur unrasiert. Die Gäste wohnen um die Ecke oder kommen nach der Arbeit, so wie Gerhard, den man an der Theke trifft. Zwei Packungen Zigaretten hat er vor sich und nur ein Bier, aber das ist nicht das erste. "Ich bin ein leidenschaftlicher Raucher", sagt er, "und ich find' das Weltklasse, was jetzt beschlossen wurde." Von den Nichtrauchern hat er nicht die allerbeste Meinung. "Die haben uns eh schon alles genommen, früher haben wir noch in der Schnellbahn rauchen dürfen", schimpft er. "Wir können ja alle Nichtraucher rausschicken im Winter, wenn ihnen der Qualm hier nicht passt."

So weit wird es nicht kommen, auch nicht im Centimeter, schließlich gibt es hier ja den Nichtraucherbereich im ersten Stock. Zu erreichen ist er über eine weiß lackierte Tür ohne Hinweisschild und eine Stiege, die als Dunstschleuse dient. Oben ist es kühler und leerer, was nicht nur daran liegt, dass wegen eines Wasserschadens ein Gerüst mitten im Raum steht. Nur zwei von mehr als zwei Dutzend Tischen sind besetzt. Unten hingegen findet sich ein Nichtraucher-Ehepaar, das zu den Stammgästen zählt. "Also nein", sagt er, "da oben, da waren wir noch nie."

Doch jenseits der Gemütlichkeit gibt es auch eine Gegenbewegung, die sich nicht damit abfinden will, dass Österreichs Gaststätten zur letzten Raucherbastion in Mitteleuropa werden. Die Österreichische Krebshilfe hat eine Internet-Petition fürs Rauchverbot gestartet, die schon mehr als 400 000 Mal unterzeichnet wurde. Die Ärztekammer unterstützt Pläne für ein Volksbegehren. "Das sind wir unseren Patienten einfach schuldig", erklärt Kammer-Präsident Thomas Szekerus.

Georg Danzer besang das "Hawelka" als Ort der Freiheit. Er starb an Lungenkrebs

Sonderlich beunruhigt wirkt der Wirt Pollischansky deswegen nicht. Erstens denkt er nicht, dass es zum Volksbegehren kommt. Und zweitens glaubt er, dass andernfalls dann doch die Dunstfraktion gewinnen würde. Immerhin bekennt sich in Österreich ein Viertel der Bevölkerung zum Rauchen, das sichert europaweit einen Platz unter den ersten drei. Pollischansky rechnet obendrein noch mit einer "Dunkelziffer". "Der Raucher ist der Gemütliche, der geht auf keine Demonstration", sagt er. "Aber wenn es zu einer Volksabstimmung kommt, dann geht er hin." Der jahrelange Streit inklusive des gesetzlichen Zickzackkurses ist allerdings auch an Österreich nicht spurlos vorübergegangen.

Vier von zehn Wirten befürworten Umfragen zufolge ein absolutes Rauchverbot, und zahlreiche Restaurants und Kaffeehäuser haben sich bereits zu rauchfreien Zonen erklärt. Auch das Café Hawelka zählt dazu, das einst von Künstlern und heute von künstlersuchenden Touristen besucht wird. In den verruchten und verrauchten Tagen bezeichnete André Heller das Hawelka als seine "Universität". Georg Danzer hat es als Stätte großer Freiheit besungen, bevor er 2007 an Lungenkrebs starb. An den dunklen Holzwänden meint man noch heute die Patina zu sehen, ja zu riechen. Doch der Kellner schüttelt verständnislos den Kopf, wenn man nach einem Aschenbecher fragt.

Nur ein paar Häuser weiter aber findet sich das Nightfly's, das als "American Bar & Cigar Lounge" die späten Gäste anzieht. Schon auf dem Weg nach unten hängen die Cohibas und Montecristos in den Vitrinen. Schutz vor dichtem Zigarrenrauch bietet allein ein Glaskasten, der vor einigen Jahren in den Raum hineingebaut wurde. "Ursprünglich war das als Raucherbereich geplant", erklärt der Barbetreiber Gerhard Wanderer, "aber das haben wir schnell umgedreht." Nur zehn Prozent der Gäste, so schätzt er, nutzen das rauchfreie Reservat. Die andern feiern lieber, stehen an der Bar, lauschen dem Pianospieler und machen das, was der Barista Gerhard Wanderer ihnen recht lyrisch in der Getränkekarte empfiehlt: "Zünden Sie sich eine Zigarette an, blasen Sie den Rauch in den Raum und folgen Sie dem Kondensstreifen mit Ihrem Blick."

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