Italien:Der Geisterzug kommt pünktlich

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Trenitalia macht nicht zum ersten Mal mit einer kuriosen Anekdote Schlagzeilen. (Foto: Massimo Brucci/Imago/Deposit Photos)

Noch schlimmer als die Deutsche Bahn? Italien amüsiert sich über einen Zug, der 50 Minuten zu früh abgefahren ist – um überhaupt pünktlich anzukommen.

Von Francesca Polistina

Mit der Zuverlässigkeit der italienischen Züge ist das so eine Sache, aber spätestens nach den letzten Ereignissen kann man nicht behaupten, dass der Bahngesellschaft Trenitalia die Pünktlichkeit nicht am Herzen liege. Die Geschichte ist jedenfalls surreal: Am Freitag, 8. November, ist der Hochgeschwindigkeitszug Frecciargento von Rom nach Genua 50 Minuten zu früh abgefahren – nämlich um 15.30 statt um 16.20 Uhr – und hat viele fassungslose und irritierte Fahrgäste im Bahnhof zurückgelassen. Fast noch surrealer als die Geschichte selbst ist die Begründung: Den gestrandeten Passagieren wurde kommuniziert, dass die frühere Abfahrt notwendig geworden war, um überhaupt pünktlich anzukommen.

Trenitalia selbst äußerte sich in den folgenden Tagen etwas vorsichtiger: Wegen Bauarbeiten sei dies die einzige Möglichkeit gewesen, um die Verbindung zu gewährleisten. Nun ist die Frühfahrt für die ohnehin nicht rosige Pünktlichkeitsstatistik der Züge sicherlich ein Gewinn, das Problem ist aber, dass die Kommunikation mit den ahnungslosen Fahrgästen offensichtlich nicht funktioniert hat. Das Unternehmen sagt, sie habe über die Änderung am selben Vormittag per SMS und E-Mail Bescheid gegeben, Medienberichten zufolge wurden aber nicht alle Fahrgäste erreicht - und die Information sei ohnehin sehr kurzfristig gewesen. Und so lautet die Frage: Ist ein Zug, der zwar pünktlich, aber nach Medienangaben halb leer ankommt, auch ein sinnvoller?

Der Fall wird zum Politikum

Unglücklicherweise für Trenitalia wollte mit dem Zug auch der Archäologe Salvatore Settis fahren, der den Vorfall dann in der Tageszeitung La Stampa aufschrieb. Wer weiß, ob die Geschichte, die viele Leserinnen und Leser durchaus amüsierte, sonst eine so große Resonanz bekommen hätte. Jedenfalls berichtete Settis, dass er wegen eines Streiks im öffentlichen Nahverkehr jede Menge Pufferzeit eingeplant hatte und viel früher am Bahnhof gewesen sei. Von Trenitalia sei er nicht informiert worden, und so habe er geduldig gewartet – und dann bemerkt, dass vom gebuchten Zug auf der Abfahrtstafel jede Spur fehlte. Auf die Frage, was mit dem Zug los sei, bekam er die Antwort, dass der Zug tatsächlich bereits abgefahren sei und dass er seine Reise gerne später fortsetzen könne, nach dem Motto: Irgendwann und irgendwie kommt man immer ans Ziel.

Schneller als der Zug selbst wurde der Fall in Italien zum Politikum. Lega-Chef Matteo Salvini schaltete sich ein und verlangte „überzeugende Klarstellungen“ aus Trenitalias Top-Management. Die Opposition betonte, dass Matteo Salvini als Verkehrsminister nicht Klarstellungen fordern, sondern eher liefern sollte – und zwar nicht nur in diesem Fall.

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Tatsächlich ist die Zuverlässigkeit der italienischen Züge ein ewiges Thema: Im Jahr 2023 kamen ungefähr zwei von zehn Fernzügen zu spät an, auf manchen Strecken sogar die Hälfte. Obwohl das Hochgeschwindigkeitsnetz Italiens europaweit als positives Beispiel gelobt wird und man von Rom nach Mailand in nur drei Zugstunden fahren kann, berichten Pendlerinnen und Pendler immer wieder von Missständen. Einige davon wurden für die Regierung auch ziemlich unangenehm: So musste vor einem Jahr ein bereits stark verspäteter Zug außerplanmäßig in einem Bahnhof halten, damit Francesco Lollobrigida, Landwirtschaftsminister und damals noch Schwager von Premierministerin Giorgia Meloni, rechtzeitig zur Einweihung eines städtischen Parks gelangen konnte.

Auch damals gab es heftige Polemiken – aber von einer Vorzugsbehandlung kann immerhin diesmal keine Rede sein: Im Zug von Rom nach Genua saß angeblich keine Prominenz.

Anm. d. Red. In einer früheren Version des Textes war die Position von Trenitalia bezüglich der Information an die Fahrgäste nicht enthalten. Dies wurde nachgetragen.

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