In letzter Zeit ist international ein gewisser Trend zu Protest-Pappen, -Schildern und -Kellen zu beobachten. Ist auch kein Wunder, denn wenn mal wieder irgendwo ein Mist verzapft wird oder eine große Gruppe zum Opfer von böswilligen Populisten zu werden droht, bleibt einem ja auch gar nichts anderes übrig, als etwas Knalliges in die Höhe zu halten. Also so wie Moses die Zehn Gebote oder, ganz anders natürlich, Kieran Culkin den Oscar für die beste Nebenrolle.
Aus Unmut über die Rede des amerikanischen Präsidenten im US-Kongress haben jetzt Vertreterinnen und Vertreter der demokratischen Partei sogenannte Protestkellen emporgereckt. Die Kellen trugen Aufschriften wie „Musk klaut“, „Rettet Medicaid“, „Falsch“ oder „Das ist eine Lüge“. Man kennt ähnliche Kellen von Spieleabenden, wo zum Beispiel Lebenspartner dazu aufgefordert werden, auf intime Fragen schnell mit „Ja“ oder „Nein“ zu antworten. Die Freude ist vor allem dann groß, wenn sich die Befragten mal wieder nicht einig sind. Vor allem aber kennt man solche Kellen vom Bahnverkehr, vom Flughafen und von der Polizei. Sie machen Eindruck und sind gerade im Social-Media-Zeitalter ein grundsätzlich legitimer Versuch, zumindest optisch wieder die Hoheit über einen Raum oder ein Thema zu gewinnen.

Es ist übrigens gut, dass die US-Demokraten während Trumps Rede auf das Zünden von Rauchbomben verzichtet haben, wie es in anderen Parlamenten gerade ja durchaus üblich zu sein scheint. Auch bei ihren „Costumes“, wie es wahrscheinlich auf Englisch heißt, setzten sie auf grelle, pinke Protestfarbe sowie weitere Botschaften („No King, no Coup“, hieß es etwa auf einem T-Shirt). Der bereits sehr lebenserfahrene demokratische Abgeordnete Al Green, 77, verlieh seinem Protest zusätzlich noch mit einem Gehstock Ausdruck. Von Stöcken geht eine deutlich geringere Gefahr aus als von anderen mechanischen Gehilfen. Einige Vertreter der Republikaner hingegen erschienen mit roten Maga-Schirmkappen, der ebenfalls anwesende Elon Musk versuchte mit einem feinen Anzug zu punkten.
Für die Welt viel beruhigender freilich wäre der generelle Verzicht auf alle optischen Kindereien, Kellen wie Kappen, sowie die Rückkehr zum vernunftgeleiteten Wort in einer kompromissfähigen, am Wohle aller orientierten Politik.