USA:Kulturkampf um den Gasherd

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USA: Rund ein Drittel der Haushalte in den USA kocht landesweit mit Gas.

Rund ein Drittel der Haushalte in den USA kocht landesweit mit Gas.

(Foto: Mint Images/imago/Mint Images)

Aus Sicherheitsgründen prüft eine US-Behörde ein Verbot von Gasherden. Doch die Empörung ist groß - und die Erdgaslobby mächtig.

Von Fabian Fellmann, Washington

Am Ende blieb dem Chef der US-Produktesicherheitsbehörde nur noch ein Ausweg: den Stecker zu ziehen. Im übertragenen Sinn versteht sich, denn ein Gasherd hat natürlich keinen Stecker. Die recht explosive Kontroverse hatte einer der Kommissare der "U.S. Consumer Product Safety Commission" (CPSC), wie die Behörde heißt, am Montag losgetreten, als er laut darüber nachdachte, den Einbau neuer Gasherde in den USA zu verbieten. Die stünden im Verdacht, mit Abgasen die Raumluft zu verschmutzen.

Umgehend versuchte die Mehrheit der liberalen Medien der Leserschaft zu erklären, dass ein solches Verbot nicht nur das Klima in den eigenen vier Wänden, sondern auch auf dem ganzen Planeten positiv beeinflussen könnte. Die Republikaner dagegen stürzten sich dankbar auf die Nachricht über die regulierungswütigen Agenten von Präsident Joe Biden, die angeblich nur danach trachteten, die Freiheit der Amerikanerinnen und Amerikaner zu beschneiden.

Der texanische Abgeordnete Ronny Jackson schwor auf Twitter, seinen Gasherd "niemals" herauszurücken. "Wenn die Irren im Weißen Haus meinen Gasherd holen wollen, müssen sie ihn aus meinen kalten toten Fingern herausbrechen. Kommt und holt ihn!!"

Für die Republikaner passen solche Nachrichten ins Narrativ, dass die Demokraten Klimaschutz um jeden Preis und besonders auf dem Buckel der sozial benachteiligten Menschen betreiben wollen. Gasherde sind in den USA noch immer weit verbreitet: Rund ein Drittel der Haushalte kocht landesweit damit. Gasherde kosten beim Kauf zwar leicht mehr als Elektroherde, der Betrieb aber fällt im Land des billigen Erdgases bis zu 30 Prozent günstiger aus, je nach Region.

Seit 2019 existiert das erste Verbot von Gasherden in den USA, in der kalifornischen Stadt Berkeley

Von der gewaltsamen Entfernung bereits eingebauter Kochherde war allerdings nie die Rede. Vielmehr hatte Rich Trumka Jr., einer von mehreren Kommissaren der Produktesicherheitsbehörde, lediglich weitere Studien zu Gasherden angekündigt. Er wolle in den nächsten Monaten genauer abklären lassen, wie schädlich diese für Klima, Raumluft und Gesundheit seien. Dabei erwähnte er - als eine denkbare Maßnahme - das Verbot.

Falls Trumka Jr. damit testen wollte, ob die breite Masse ein solches Verbot akzeptieren würde, war er damit erfolgreich. So erfolgreich, dass sein Chef drei Tage später präzisierte, dieses habe nie zur Diskussion gestanden. Überhaupt besitze seine Behörde gar nicht die Kompetenz, ein solches Verbot auszusprechen.

Die CPSC funktioniert ähnlich wie solche Behörden in Europa auch: Sie kann zum Beispiel Sicherheitsvorschriften und Standards für Haushaltsgeräte erlassen. Und nicht nur Klimaexperten, sondern auch Gesundheitsfachleute weisen seit Längerem darauf hin, dass Gasherde durchaus Nachteile haben. Vor allem ältere Modelle, die im Land der maroden Infrastruktur noch weit verbreitet sind, können Umweltgase wie Methan, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid ausstoßen, ebenso feine Rußpartikel, die die Lunge schädigen. Das kann besonders in schlecht belüfteten Räumen Asthma, Allergien und andere Beschwerden begünstigen. Das ist nicht nur ein hypothetisches Problem: In den USA lassen sich in vielen Häusern die Fenster gar nicht oder nur mit viel Aufwand öffnen, die Menschen verlassen sich ganz auf Klima- und Lüftungsanlage.

Seit 2019 existiert deshalb das erste Verbot von Gasherden in den USA, in der kalifornischen Stadt Berkeley. Die Bundesstaaten New York und Kalifornien diskutieren ähnliche Schritte, andere Städte prüfen schärfere Vorschriften für die Luftqualität in Innenräumen, die ebenfalls zu einem faktischen Verbot führen könnten.

Allerdings wehrt sich die mächtige Erdgaslobby nach Kräften. Jahrzehntelang hat sie darauf hingearbeitet, Gas als Brennstoff der Feinschmeckerküche zu positionieren. In seitenfüllenden Inseraten ließ sie Chefköche davon schwärmen, dass Kochen "mit natürlichem Gas einfach die natürlichste Sache" sei, dass es für sie lebenswichtig sei, mit Feuer zu arbeiten, "mit scharfer Munition". Mit Erfolg: Sieben Staaten, in denen Gas gefördert wird, haben jüngst Gesetze erlassen, die es Städten und Kommunen untersagen, auf ihrem Gebiet Gasherde zu verbieten.

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