Süddeutsche Zeitung

Fundstücke:Schatzkammer Garage

Alice Cooper hat in seiner Garage einen echten Andy Warhol entdeckt. Höchste Zeit, den Auto-Abstellraum als das zu würdigen, was er in Wahrheit ist: ein Raum für die kuriosesten Funde der Welt.

Von Alexander Menden

Ein Riesenfan des Œuvres von Andy Warhol scheint Alice Cooper nicht zu sein. Wie sonst wohl wäre es zu erklären, dass ein Siebdruck des Künstlers aus dessen "Death and Disaster"-Reihe jahrzehntelang unbeachtet in Coopers Garage lag? Vielleicht hatte er einfach keine Lust, sich die Abbildung eines elektrischen Stuhls ins Wohnzimmer zu hängen - bei seinen eigenen Shows hantiert der gerne als "Horror-Rocker" apostrophierte Alice Cooper lieber mit Guillotinen. Jedenfalls entdeckte er das Bild, das ihm eine Freundin in den 1970er-Jahren geschenkt hatte, vor ein paar Jahren in seiner Garage wieder und will es nun versteigern lassen. Der Wert wird auf zweieinhalb bis viereinhalb Millionen Dollar geschätzt.

US-Amerikaner, auch solche, die keine Rockstars sind, haben ja große Garagen, in die viel reinpasst, weil sie oft auch mehr als ein Auto besitzen. Dass Garagen überhaupt zu solchen Schatzgruben werden können, ist aber gerade dem Umstand zu verdanken, dass sehr viele Menschen so ziemlich alles darin unterbringen, nur nicht ihr Auto.

Es versteht sich von selbst, dass das in Deutschland verboten ist. Ein Dokument mit dem poetischen Titel "Garagen-Musterverordnung" umreißt exakt, was alles in eine Garage reindarf, und das sind neben dem Auto maximal Reifen, Dachgepäckträger, vielleicht noch ein Benzinkanister. Für die Unterbringung von allem anderen, selbst Fahrrädern oder Rasenmähern, kann theoretisch ein Bußgeld von 500 Euro fällig werden. In Deutschland hätte der junge Steve Jobs, der die ersten Apple-Computer bekanntlich in einer kalifornischen Garage zusammenschraubte, also bei der Gründung seines Weltkonzerns eine Ordnungswidrigkeit begangen.

Magischer Unort für den Rückzug aus dem Familienleben

Die Garage bleibt dennoch auch hierzulande eine Art geradezu magischer Unort, der Gelegenheit zum temporären Rückzug aus dem Druck des Familienlebens bietet, sei es zum Bierholen, Schraubenzieherordnen oder Fahrradschlauchflicken. Sie wird zudem statt zum Autoparken - unter dreister Missachtung der Garagen-Musterverordnung - ebenfalls zum Anhäufen von Sachen verwendet, die im Haus nicht gewollt, zum Wegschmeißen aber vermeintlich zu schade sind. In Deutschland sind das weniger Warhol-Siebdrucke als Ölporträts von traurigen Clowns, Schlumpf-Sammlungen oder durchgebrannte Röhrenverstärker.

Wer nach wahrhaft wertvollen Garagenfunden sucht, muss den Blick ins Ausland richten. In New York wurde zum Beispiel 2007 eine Porzellanschale aus einer Garage für drei Dollar bei einem Flohmarkt verkauft, die sich später als extrem seltenes Stück aus der chinesischen Song-Dynastie herausstellte und bei einer Versteigerung 2,2 Millionen Dollar erzielte. Auch wertvolle Gemälde schmücken anscheinend vor allem die Wände amerikanischer Garagen: In Arizona tauchte 2017 ein Original des abstrakten Expressionisten Jackson Pollock auf, das seit 15 Jahren dort in einer Garage gelehnt hatte. Sein Wert wird auf 15 Millionen Dollar geschätzt.

Im selben Jahr fand sich in einer Garage in Japan ein vollkommen verstaubter Ferrari Daytona Baujahr 1969 mit Vollaluminiumkarosserie. Unrestauriert und mit Originalstaub kam er kurz darauf bei Sotheby's für zwei Millionen Dollar unter den Hammer. Das war der vielleicht unverhoffteste Fund von allen. Denn wer würde ausgerechnet in einer Garage ein Auto vermuten?

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