Gammys Eltern im TV-Interview:"Kein Elternteil will einen Sohn mit Behinderung"

David Farnell Pipah

David und Wendy Farnell mit Tochter Pipah.

(Foto: AP)

Sie werden beschuldigt, ihren mit Down-Syndrom geborenen Sohn bei seiner Leihmutter gelassen zu haben. Jetzt äußern sich Gammys australische Eltern erstmals in einem Interview. Auch die Vorstrafen des Vaters kommen zur Sprache.

  • Gammys Eltern haben sich in einem Fernsehinterview zu Wort gemeldet.
  • Sie weisen die Anschuldigung zurück, ihren Sohn wegen seiner Behinderung absichtlich in Thailand gelassen zu haben.
  • Der wegen sexuellen Missbrauchs verurteilte Vater sieht keine Gefahr für Gammys gesunde Zwillingsschwester Pipah, die das Paar mit nach Australien genommen hat.
  • Die Reaktionen auf das Interview fallen überwiegend negativ aus.

Erste öffentliche Stellungnahme

Seit Wochen stehen sie in der Kritik, ihr Haus wird von Journalisten belagert, jeder ihrer Schritte von Fotografen überwacht - jetzt haben sich David und Wendy Farnell zum ersten Mal öffentlich geäußert. Ein Gespräch mit dem Paar wurde in der Sendung "60 Minutes" des australischen Senders Channel 9 ausgestrahlt. Für das Interview sollen sie kein Geld bekommen haben. Der Sender will stattdessen 200 000 Dollar an die Hilfsorganisation "Hands Across the Water" spenden, die sich um thailändische Waisen kümmert.

Der Hintergrund

Der Fall des kleinen Gammy bewegt die australische Öffentlichkeit. Der Junge mit Down-Syndrom und seine gesunde Zwillingsschwester Pipah wurden von Pattharamon Chanbua zur Welt gebracht. Die 21-jährige Thailänderin soll von einem Vermittler angeworben worden sein. Für ihre Leihmutterschaft soll sie etwa 11 000 Euro bekommen haben. Anfang August ging sie mit Vorwürfen gegen das Ehepaar Farnell an die Öffentlichkeit: Als klar war, dass eines der Kinder mit Behinderung zur Welt kommen würde, hätten die Farnells sie im siebten Schwangerschaftsmonat zu einer Abtreibung gedrängt. Sie habe sich widersetzt, doch als die Kinder geboren waren, hätte das Ehepaar nur das gesunde Mädchen mit nach Australien genommen und den Jungen zurückgelassen.

"Wir vermissen unseren kleinen Jungen"

Die Farnells weisen die Vorwürfe Pattharamons im Interview zurück. Man habe weder die Absicht gehabt, die Leihmutter zu einer Abtreibung zu zwingen noch Gammy in Bangkok zurückzulassen. "Wir wollten, dass beide Babys geboren werden, dann wollten wir über das Ganze nachdenken", sagte David Farnell. Dennoch, hätte er früher von der Behinderung des Jungen erfahren, wäre er für eine Abtreibung gewesen: "Kein Elternteil will einen Sohn mit Behinderung."

Über den Verbleib Gammys in Thailand hätten nicht sie, sondern die Leihmutter entschieden, sagte Farnell weiter. Pattharamon habe demnach gedroht, sie würde die Polizei einschalten und ihnen auch Zwillingsschwester Pipah wegnehmen, wenn sie nicht einwilligten, Gammy zurückzulassen.

"Wir wollten ihn mitnehmen. Wir vermissen unseren kleinen Jungen", sagte Farnell. Manchmal kleide seine Frau ihre Tochter ganz in blau, um an den Zwillingsbruder zu erinnern. Nun wolle das Paar Gammy zu sich holen. Sie müssten dafür aber zunächst sicherstellen, dass Pipah die australische Staatsbürgerschaft erhalte und ihnen "nicht mehr weggenommen werden" könne, sagte Farnell.

David Farnells düstere Vergangenheit

Die australischen Kinderschutzbehörden schalteten sich in den Fall ein, nachdem bekannt worden war, dass der australische Vater der Kinder wegen Kindesmissbrauchs vorbestraft ist. Als 20-Jähriger wurde er zweimal verurteilt - einmal wegen sexueller Belästigung von zwei Mädchen, einmal wegen des Missbrauchs eines Kindes. Er verbrachte dafür vier Jahre im Gefängnis. Farnells Ehefrau hatte sich bereits vor dem Interview dazu geäußert: Die Taten hießen nicht, dass ihr Mann "für immer ein schlechter Mensch" sei. Auch sein Sohn hatte sich anonym zu Wort gemeldet und für seinen Vater Partei ergriffen.

Im Interview sagte Farnell, er bereue seine Taten zutiefst. Er verstehe die Aufregung um seine Vorstrafen, für seine kleine Tochter bestehe aber keine Gefahr: "Sie ist zu einhundert Prozent sicher." Er habe seit 30 Jahren nicht mehr den Drang verspürt, sich Kindern sexuell zu nähern.

Pattharamon: Eizelle stammt nicht von Wendy Farnell

Pattharamon Chanbua hat bereits auf das Interview reagiert. Wendy Farnell sei nicht die biologische Mutter der Kinder, sagte die 21-Jährige. Die Eizelle stamme von einer thailändischen Frau, die ebenfalls von einer Agentur angeworben worden sei. Pattharamon wäre empört, wenn das Ehepaar versuchen würde, Gammy nach Australien zu holen. Stattdessen überlege sie nach den Vorwürfen gegen den Vater, auch Gammys Schwester zu sich zu holen. Nach thailändischem Recht gilt Pattharamon als Mutter der beiden Kinder. Die rechtliche Grauzone in Australien und Thailand macht das Geschäft mit Leihmutterschaften in den beiden Ländern möglich.

Reaktionen auf das Interview

In sozialen Netzwerken im Internet wird viel über den Fall diskutiert. Das Interview wurde dort überwiegend negativ aufgenommen. Viele Menschen sprachen den Farnells das Recht ab, sich um die beiden Kinder zu kümmern.

Bei einigen sorgte für Unmut, dass das Ehepaar auf diese Weise der Öffentlichkeit vorgeführt wird - scheinbar ohne angemessen auf das Interview vorbereitet worden zu sein.

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