Süddeutsche Zeitung

Obstanbau:Beeren vom Balkon

Obst und Salat wachsen auch auf wenigen Quadratmetern in der Stadt - wenn die Voraussetzungen stimmen.

Von Ingrid Weidner

Was auf dem Balkon wächst, kann nicht nur schön, sondern auch lecker sein. Kräuter auf dem Balkon liegen schon seit Jahren im Trend. Basilikum, Schnittlauch oder Petersilie sind gärtnerisch auch keine besonderen Herausforderungen. Wer mehr Abwechslung und einen etwas höheren Schwierigkeitsgrad sucht, kann es mit Obst probieren. Es ist ja auch verlockend, im Sommer Äpfel, Birnen, Pfirsiche oder Beeren zu ernten. Doch wie realistisch ist eine kleine Obstplantage in der Stadt?

Bevor Gartennovizen zum Gartencenter oder zur Baumschule fahren, brauchen sie einen Plan. Eine Terrasse, ein Hinterhof oder Garten eröffnet Obst-Fans faszinierende Perspektiven. Ein kleiner Stadtbalkon mit wenigen Quadratmetern Fläche eignet sich aber nur bedingt für Obstbäume. Auch die Statik des Balkons sollten Hobbygärtner berücksichtigen.

Außerdem brauchen Pflanzen Platz und vor allem regelmäßige Pflege. Zwar verbringen viele Menschen pandemiebedingt mehr Zeit zu Hause, doch sie sollten sich fragen, wie viel Energie sie in den kleinen Obstanbau investieren und wie viel Platz sie den Pflanzen abtreten wollen. Soll das Wohnzimmer im Freien etwas aufgehübscht oder in einen Dschungel verwandelt werden? Die Ausrichtung des Balkons spielt beim Obstanbau eine besonders wichtige Rolle. Streift die Sonne im Tagesverlauf den Balkon überhaupt nicht, weil die Wohnung etwa in der ersten Etage liegt und von hohen Gebäuden umgeben ist, gedeihen dort kaum sonnenhungrige Beeren.

"Es funktioniert viel", spricht Gottfried Röll allen Mut zu. Der Gartenbautechniker berät seit 30 Jahren Hobbygärtnerinnen und Hobbygärtner am Gartentelefon der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (www.lwg.bayern.de) in Veitshöchheim bei Würzburg. Dort kann jeder anrufen und sich kostenlos Tipps und Ratschläge holen. Röll empfiehlt einen pragmatischen Ansatz: Wer mit dem Balkongärtnern beginnt, sollte gerne experimentieren - und nicht zu viel erwarten. "Als Baumobst empfehle ich nur den Apfel. Der Stamm lässt sich als Säulenobst kultivieren und das Wurzelwerk ist schwach ausgeprägt", sagt Röll. Auch wenn es in Gartencentern allerlei kleinwüchsige Birnen- oder Pfirsichbäume gibt, sei der langfristige Erfolg bescheiden, denn diese Pflanzen kommen nicht auf Dauer mit wenig Platz aus.

Johannisbeeren eignen sich gut für Gartennovizen

Der Gartenexperte empfiehlt, mit roten oder weißen Johannisbeeren oder Himbeeren auf dem Balkon zu beginnen. Diese Pflanzen lassen sich gut als Strauch oder Hochstamm kultivieren, und das Obst lässt sich leicht ernten. Beeren wachsen nur am ein- oder zweijährigen Holz. Mit etwas Übung sei es kein Problem, die Pflanzen im Herbst oder Frühjahr zurückzuschneiden. Auch wer im Herbst alle Triebe komplett abschneidet, muss keinen Totalschaden fürchten. Zwar fällt die Ernte im darauffolgenden Jahr komplett aus, doch gesunde Pflanzen nehmen solche rabiaten Maßnahmen nicht übel und belohnen die Gärtnerinnen und Gärtner im nächsten Sommer wieder mit Beeren. "Es ist auch möglich, nur ein- oder zwei Triebe am Balkon hochzuziehen", sagt Röll.

Wer seine Kinder behutsam für die Natur begeistern möchte, sollte mit ihnen gemeinsam planen. Manche naschen gerne Erdbeeren, andere lieben saure Johannisbeeren. Damit der Balkongarten niemanden enttäuscht, sollten die Kleinen mitentscheiden dürfen. Egal ob kleiner Apfelbaum oder Beeren, der Pflanzkübel sollte ein Fassungsvermögen von etwa 30 Litern haben. "Längliche Kübel sparen Platz und eignen sich auch für Johannis- oder Himbeeren", sagt Röll. Neben ausreichend Wasser benötigen Pflanzen auch regelmäßig Nährstoffe. Das kann ein Mineraldünger sein, der meistens dem Gießwasser zugefügt wird oder organischer Dünger wie Schafwolle oder Hornmehl. Wer die Früchte seiner Arbeit ernten will, sollte vor allem beim Obst seine Pflanzen nicht vernachlässigen. Sie brauchen auch dann Wasser und Pflege, wenn Ferien oder Reisen anstehen. In heißen Sommern müssen Pflanzenkübel oft zwei Mal am Tag gegossen und die Früchte regelmäßig geerntet werden.

Wer in der Stadt Obst und Gemüse anbauen möchte, findet in Büchern und im Internet mittlerweile viele nützliche Tipps. Die Bloggerin Elisabeth Mecklenburg zum Beispiel schreibt, sie habe in den vergangenen Jahren viel ausprobiert und empfiehlt auch Pfirsiche oder Birnen als Miniaturbäumchen für Balkon und Terrasse. Ihr gerade erschienene Buch eignet sich besonders für Anfänger, denn die Autorin gibt vom passenden Werkzeug bis zur Planung und Pflege viele wertvolle Tipps ( "Mein City Obstgarten". Gräfe und Unzer, München, 17,99 Euro) viele Ideen.

Sich einlesen, Meinungen einholen und dann mit dem Experimentieren beginnen, so macht das Gärtnern auch auf kleinen Flächen Spaß. Wer klein anfängt, gut plant und einen grünen Daumen ausbildet, findet vielleicht auch irgendwann einen eigenen Schrebergarten in der Stadt. Dann zieht der auf dem Balkon gezüchtete Birnbaum sicher gerne um.

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