Nun sind sie die weißen Hosen also los. Die Lionesses, wie sich das englische Frauenfußballteam nennt, präsentierten am Montag ihr neues Outfit. Fortan tragen die derzeitigen Europameisterinnen dunkelblaue Shorts zu den weißen Oberteilen, an diesem Donnerstag werden sie erstmals auf dem Platz im Spiel gegen Brasilien zu sehen sein. Ein Anlass zur Freude für die Fußballspielerinnen ist das, denn schon seit dem letzten Jahr setzen sie sich dafür ein, nicht länger ganz in Weiß auf dem Platz stehen zu müssen. Der Grund: Sie wollen sich während ihrer Periode keine Gedanken über Blutflecken machen, die auf weißem Stoff natürlich eher auffallen als auf blauem. Oder wie es Torjägerin Beth Mead ausdrückte: "Weiß ist nicht sehr praktisch, wenn wir uns in dieser Zeit des Monats befinden."
Die Debatten um die Hosen der englischen Kickerinnen sind nur ein Beispiel für die lauter werdenden Stimmen aus dem Frauensport, die sich gegen Standards bei den Wettkämpfen aussprechen, bei denen es auf den ersten Blick nur um Kleidung geht - und auf den zweiten oft auch um Sexismus. Das Anliegen vieler Sportlerinnen ist es, den weiblichen Menstruationszyklus aus der Tabuzone zu holen.
2014 wurde die Kleidervorschrift bei Wimbledon noch verschärft
Ebenfalls im vergangenen Jahr machte die Tennisspielerin Alicia Barnett beim Wimbledon-Turnier darauf aufmerksam, wie belastend es sein könne, während wichtiger Wettkämpfe zu menstruieren: "Während der Spiele die Periode zu haben, ist schwierig genug, aber dann Weiß zu tragen, ist nicht einfach", sagte sie. Die Regel, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Wimbledon ausschließlich weiße Kleindung tragen dürfen, ist bis heute auf der Website des Turniers nachzulesen. Im Jahr 2014 wurde die Kleidervorschrift sogar noch verschärft, auch die Unterwäsche darf seitdem ausschließlich weiß sein. Zumindest gibt es nun eine Fußnote, wonach die Unterwäsche der Damen in diesem Jahr erstmals auch schwarz sein darf.
Es geht aber nicht nur um die Periode, sondern auch um die Sexualisierung von Frauenkörpern durch bestimmte Kleidung. In Deutschland etwa waren es die Kunstturnerinnen Sarah Voss, Elisabeth Seitz und Kim Bui, die die Kleidungs-Konventionen ihrer Sportart infrage stellten, indem sie bei der EM vor zwei Jahren in Ganzkörperanzügen turnten statt in den knappen, badeanzug-ähnlichen Outfits.
Die hosentragende Frau stelle das Wertefundament infrage
Andere Entwicklungen hat der Sport dagegen schon seit einer Weile hinter sich. Heute schwer vorstellbar ist, wie Radsporterlinnen noch zu Ende des 19. Jahrhunderts ihren Sport ausüben mussten. Damals galt schon ein sichtbarer Knöchel als skandalträchtig und das bloße Sitzen auf einem Fahrradsattel als unsittlich und obszön, heißt es in dem Buch "Radsport und Gesellschaft" von Sportwissenschaftler Rüdiger Rabenstein. Dem entsprechend verboten es die damaligen Kleiderkonventionen den Frauen, auf dem Fahrrad eine Hose zu tragen. Die selbstbewusste, hosentragende Frau stellte das konservative Wertefundament infrage und erweckte deshalb Unmut bei den Männern. Mühsam setzten die Radlerinnen ab den 1890er Jahren das Tragen von knielangen Pumphosen statt der umständlichen langen Röcke auf dem Fahrrad durch.
Fernab von Kleiderordnungen tut sich indes heute etwas anderes: Die Zyklusphasen finden langsam Einzug in die Trainingslehre - vielleicht auch, weil sie leistungssteigernd genutzt werden können. Beim FC Chelsea orientiert sich der Trainings- und Ernährungsplan der Spielerinnen schon seit drei Jahren an deren individuellem Zyklus, andere Clubs und Verbände zogen nach. Chelsea-Trainerin Emma Hayes sagte 2020 dem britischen Telegraph: "Man kann sagen, dass ich Trainerin bin in einer Industrie, in der Frauen immer wie kleine Männer behandelt worden sind. Ob Reha, Kraft- Konditions- oder Taktiktraining - alles basiert auf dem, was Männer tun." Das ändert sich nun also, zumindest ein bisschen.