Süddeutsche Zeitung

Für die todkranke Lehrerin:Der Sarg des Lebens

In Holland zimmern Schüler einen Sarg für ihre todkranke Lehrerin, die ganz unverkrampft mit dem Tod umgehen möchte.

Frank Nienhuysen

Das Sterben gehöre zum Leben dazu, hat die Lehrerin Eri van den Biggelaar gesagt, und wenn die Schule dazu da ist, dass Kinder für das Leben lernen, so sind sie bei dieser Frau wohl richtig. Denn Eri van den Biggelaar, Gründerin einer privaten Grundschule im niederländischen Someren, bat ihre Schüler, für sie einen Sarg zu zimmern.

Seitdem hämmern und sägen sie, und vermutlich nutzten sie den Werkraum der Schule nie zuvor mit so viel Achtung vor der eigenen Arbeit. Auch die drei eigenen Kinder der Lehrerin bauen mit am Sarg für ihre sterbende Mutter.

Im September hatten Ärzte bei der 40 Jahre alten Frau einen Tumor diagnostiziert, der sich rasch ausbreitet. Nun ist van den Biggelaar todkrank zu Hause, und keinesfalls gewillt, ihr Sterben zu tabuisieren.

Einer niederländischen Reporterin erzählte sie, wie einsam sie sich damals als Kind gefühlt habe, als ihr Großvater eines Tages begraben wurde. ,,Ich wurde von allem ferngehalten, musste einen Blumenkranz tragen, während meine Mutter und meine Oma woanders in der Kirche standen, um zu weinen.''

Unverkrampft will sie daher nun mit ihrem Tod umgehen, ohne Distanz zu den eigenen Kindern oder zu ihren Schülern. Zwei Tage lang hat sie Interviews gegeben, denn dass die Schüler ihren Sarg zimmern, hatte sich schnell herumgesprochen. Doch nun sei es ,,Zeit für sie, wieder in die Privatheit zurückzukehren'', sagt ihre beste Freundin Anja van Bussel am Telefon.

Und die Schüler, konfrontiert mit einem Auftrag und dem bevorstehenden Tod ihrer Lehrerin? ,,In anderen Kulturen ist es normal, dass Menschen den Sarg für einen Nahestehenden selber bauen'', sagt Eric van Dijk, der das Projekt betreut.

Die Eltern der Schüler wurden zwar nicht ausdrücklich über den ungewöhnlichen Werkunterricht informiert, andererseits ist das Besondere Teil des Konzepts der Privatschule: Kinder und Erwachsene haben hier die gleichen Rechte und es kann alles gelehrt werden, was dem Willen der Schüler entspringt.

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Quelle:
SZ vom 2.2.2007
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