Süddeutsche Zeitung

Österreich:Fugging nicht lustig

Der oberösterreichische Ort Fucking hat genug von Spaßtouristen und blöden Witzen. Das Dorf setzt künftig auf zwei G. Was sagen die Bürgermeister aus Petting und Poppendorf dazu?

Von Oliver Klasen

Als die Landvermesser im Auftrag des österreichischen Kaisers Franz I. im Jahr 1829 in Oberösterreich ans Werk gingen, war noch alles in Ordnung. In der Nähe der damaligen Ortschaften Ostermiething, Ernsting, Wolfling und Witzling verzeichneten sie auch eine Gemarkung namens Fuking. Fuking, nur mit einem k, man kann das nachlesen auf digitalisierten historischen Karten im Internet.

Zwischen 1829 und unserer Zeit, wann genau, weiß man nicht, lief etwas schief, denn ein Amtsträger, wer genau, weiß man nicht, fügte, ohne die Tragweite seines Handelns zu erkennen, einen klitzekleinen Buchstaben hinzu, und damit begann der ganze Schlamassel. Fuking hieß plötzlich Fucking, wobei die Bewohner auch damit mehrere Jahrzehnte durchaus gut lebten, doch dann kamen die Globalisierung und das Internet, jeder lernte Englisch, und damit nahm es dann seinen Lauf.

Sie haben viel erdulden müssen, die etwa 100 Fuckingerinnen und Fuckinger. Die Spaßvögel, die sich mit obszönen Gesten vor dem Ortsschild fotografierten, wären vielleicht noch gegangen. Aber Anfang der 2000er-Jahre, da mussten sie die Ortsschilder einbetonieren, anschweißen und vernieten lassen, zu oft kamen sie weg. Oder die britische Autoproleten-Serie "The Grand Tour", die Fucking als Etappenziel einer Spritztour wählte, die über Petting, Kissing und den Berg Wank führte, hihihi. Oder das Angebot einer sehr bekannten Pornoseite, die den Bewohnern von Fucking einen Premium-Account schenkte, höhöhö.

Oder, letztes Beispiel, das Bier "Fucking Hell", eine Quatschidee von drei Freunden aus dem Schwäbischen, die später sogar vor Gericht ging. Zwar war es gar kein Helles, sondern Pils, und es wurde auch nicht in Fucking gebraut, sondern im Schwarzwald, aber egal.

Oberfucking stand immer im Schatten von Fucking

Jedenfalls hatte Fucking über Jahre hinweg viel mehr Aufmerksamkeit, als den Menschen dort lieb war. Aus diesem Grund erging kürzlich in der Gemeinderatssitzung unter Tagesordnungspunkt 6 folgender Beschluss, der seit Anfang dieser Woche auch auf der digitalen Amtstafel angeschlagen, also im Internet nachzulesen ist. "Der Gemeinderat hat beschlossen, die Ortschaft Fucking in den Ortschaftsnamen Fugging mit Wirkung vom 01.01.2021 umzubenennen."

Die Bürgermeisterin der Gemeinde Tarsdorf, zu der Fucking, künftig Fugging, gehört, ist am Freitag leider nicht zu erreichen. Also eine kleine Umfrage unter Bürgermeistern, die ein ähnliches Schicksal teilen. Bernhard Fischer steht der Gemeinde St. Marienkirchen bei Schärding vor, ebenfalls Oberösterreich, nicht einmal 70 Kilometer entfernt von Fucking, äh, Fugging. Zu St. Marienkirchen gehört auch ein Weiler namens Oberfucking, der bisher aber, was die internationale Aufmerksamkeit betrifft, im Schatten des anderen Fucking, Verzeihung, Fugging stand. Bürgermeister Fischer ist das sehr recht, "ganz ein normaler Ort sei das". Okay.

Petting, Fickmühlen und Poppendorf

Reinhard Melz, der Kämmerer der oberbayerischen Gemeinde Petting, erzählt am Telefon, dass Anfragen wegen des Ortsnamens in den vergangenen Jahren etwas weniger geworden seien. Ob das daran liegt, dass der früher in jeder Bravo-Ausgabe mehrfach verwendete Begriff "Petting" etwas aus der Mode gekommen sei, kann er nicht sagen. "Wie dieser unvollendete Vorgang", mit diesen Worten jedenfalls erklärt Melz Gesprächspartnern am Telefon, wie man seinen Ort schreibt. Kurz bevor er auflegt, weist er noch auf den Ort Penesöd hin, der liegt auch bei ihm in der Nähe.

Es gibt auch Kleindingharting und Rottenegg. Bayern und Österreich sind gut vertreten bei Ortsnamen, die sich für Pennälerhumor eignen. Aber auch in Norddeutschland (Fickmühlen) und Ostdeutschland (Poppendorf) kann man mithalten. Jörg Wallis, Bürgermeister in ebendiesem Poppendorf, kannte, kein Witz, das Wort "poppen" allerdings gar nicht, als er 1995 in den Ort zog. In der DDR sei das Wort unter der Jugend nicht geläufig gewesen. Erklärt habe es ihm dann ausgerechnet seine Schwiegeroma, 85 Jahre alt, aus Düsseldorf, die sich am Telefon "kaputtgelacht" habe, als er von seinem neuen Wohnort erzählte. Rheinländerinnen sind da nicht so.

Wallis ist gerne Bürgermeister in Poppendorf. Dass einmal, es ist Jahre her, das Ortsschild wegkam, sei's drum. Er hat sogar versucht, Kontakt aufzunehmen, zu den Kollegen da im Süden, in Petting, Kissing und so weiter, und außerdem zu den fünf anderen Poppendorfs, die es, verteilt über ganz Deutschland, sonst noch so gibt. Kleine, nicht so ernst gemeinte Partnerschaft unter Leidensgenossen. Aber die anderen hatten wohl nicht ganz so viel Humor. Die Allianz der anzüglichen Orte, sie kam nie zustande.

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