Frühere Störfälle bei Lufthansa und Germanwings:Technik als Fehlerquelle

Germanwings A320 abgestürzt - Stuttgart

Gedenktafel für die Opfer des Fluges 4U9525 am Flughafen Stuttgart.

(Foto: dpa)
  • Die Maschinen der Airbus-A320-Familie gelten als sichere Flugzeuge. Trotzdem treten immer wieder Zwischenfälle wegen technischer Probleme auf.
  • Erst im vergangenen November sorgten fehlerhaft arbeitende Sensoren bei einem Lufthansa-Flug für einen unkontrollierten Sinkflug.
  • Einer Statistik zufolge sind auch Dämpfe oder Gerüche im Cockpit ein wiederkehrendes Problem.

Von Christopher Schrader

Das Rätselraten um die Ursache des Absturzes von Germanwings-Flug 4U9525 ist groß. In einer modernen Verkehrsmaschine wie denen aus der Airbus-A320-Familie ist die Technik sehr komplex, vieles wird von elektronischen Systemen geregelt.

Ein in dieser Woche bekanntgewordenes Ereignis aus dem vergangenen November zeigt, dass in dieser Technik Fehlerquellen liegen. Damals war ein Airbus A321, ein der Unglücksmaschine eng verwandtes Modell, in einen ungeplanten Sinkflug gegangen. Laut einem Zwischenbericht, den die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BfU) am Dienstag trotz anfänglicher Bedenken doch veröffentlicht hat, dauerte dieser Sinkflug nur eine, nicht wie zunächst berichtet mehrere Minuten. Die Piloten mussten dann aber fast eine Stunde ständig an ihren Steuerknüppeln ziehen, also das Signal für Steigflug geben, um ihre Maschine in der Waagerechten zu halten.

Laut einer späteren Analyse des Flugzeugherstellers Airbus, die die BfU wiedergibt, waren beim Steigflug nach dem Start zwei von drei Sensoren eingefroren, die den Winkel des Flugzeugs zum Boden messen. Das Computersystem des A321 ist aber so programmiert, dass es bei auffälligen Abweichungen zwischen den Messwerten der Sensoren einen von ihnen ignoriert, wenn sich die anderen einig sind. Die Elektronik schaltete nun das eine funktionierende Messgerät ab und verließ sich auf die beiden eingefrorenen. Und da der von ihnen angezeigte Winkel größer war als der Stabilität des Flugzeugs dienlich, befahl der Computer kontinuierlich, die Nase der Maschine zu senken.

Schwierige Fehlerbehebung

Die Piloten mussten gegenhalten, sie versuchten vergeblich, mit Neustarts der Steuercomputer den Fehler zu beheben. Erst intensive Kommunikation mit Technikspezialisten am Boden brachte den Vorschlag, den Kontroller eines der beiden vereisten Sensoren abzuschalten. Jetzt flog das Flugzeug ohne ständige Korrektur wieder geradeaus, auch der zuvor funktionsunfähige Autopilot ließ sich nun wieder einschalten.

Airbus hat danach, Anfang Dezember 2014, einen Hinweis an alle Betreiber von Flugzeugen der A320-Familie herausgegeben und das Problem beschrieben. Es sei möglich, dass die Computer der Maschinen wegen vereister Sensoren einen Sinkflug auslösten, der sich durch Kommandos am Steuerstick nicht mehr abfangen lasse. In dem Fall müssten die Piloten sofort zwei der drei Sensoren abschalten. Das Flugzeug wechselt dann vom normalen Steuermodus, in dem die Computer überwachen, wie es geflogen werden kann, in einen Ausweichmodus. Die Cockpitbesatzung kann sich dann über die Impulse der Elektronik hinweg setzen.

Ein weiterer ernster Zwischenfall

Es ist allerdings zweifelhaft, ob vereiste Sensoren etwas mit dem Unglück des Germanwings-Fluges 4U9525 zu tun gehabt haben können. Nach Aussage von Experten war das Wetter viel besser und trockener als bei jenem Start im November 2014 in Bilbao. Außerdem dürfte die Besatzung die recht einfachen und klaren Hinweise zu diesem Problem gekannt haben.

Ein weiterer ernster Zwischenfall, eine "schwere Störung" im Vokabular der BfU, betraf ebenfalls einen Germanwings-Flug mit einem der A320 verwandten A319, der im Dezember 2010 von Wien nach Köln führte. Bei der Landung bemerkten beide Piloten einen "intensiven und außergewöhnlichen Geruch", wie es die BfU in einer Studie schildert. Bald bemerkten sie eine "deutliche Beeinträchtigung ihres körperlichen und kognitiven Leistungsvermögens". Sie setzten die Sauerstoffmasken auf und konnten die Maschine sicher landen.

Immer wieder Zwischenfälle mit Gasen und Gerüchen

Danach wurden beide medizinisch versorgt, beim Kopiloten wurde laut BfU ein ungewöhnlich hoher Blutwert der Substanz Creatinkinase gefunden. Sie spielt normalerweise bei der Energieversorgung der Körperzellen eine Rolle; nach einem Herzinfarkt weisen Patienten in der Regel einen erhöhten Wert davon im Blut auf.

Es kommt immer wieder vor, dass Dämpfe oder Gerüche in Cockpit und Kabine wahrzunehmen sind und Piloten oder Kabinenpersonal dann über körperliche Symptome klagen. Eine Studie der BfU aus dem vergangenen Jahr berichtet von 663 solcher Zwischenfälle im Zeitraum 2006 bis 2013. Dabei wurde 460 mal Geruchsbelästigung und 188 mal Rauchentwicklung bemerkt.

Die BfU kommt in ihrer Studie aber zum dem Schluss, dass der Austritt von Gasen im Flugzeug keine unmittelbare, unbeherrschbare Gefahr für die Flugsicherheit darstellt. Piloten konnten bisher stets - zur Not unter Sauerstoffmasken - die Flüge zu einem sicheren Ende bringen.

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