Freitagsgebet in Paris:Terror, der Muslime doppelt trifft

Freitagsgebet in Paris: Der Direktor der Großen Moschee, Dalil Boubakeur, erklärte, man habe voll und ganz Teil an der Trauer, die das ganze Land erfasst habe.

Der Direktor der Großen Moschee, Dalil Boubakeur, erklärte, man habe voll und ganz Teil an der Trauer, die das ganze Land erfasst habe.

(Foto: AP)

"Eine schwere Stunde für unsere Gemeinschaft": Beim Freitagsgebet in der Großen Moschee in Paris trauern Muslime um die brutal ermordeten Mitbürger - und sind wütend, dass ihr Glaube von Terroristen missbraucht wird.

Reportage von Felicitas Kock, Paris

Die Moschee ist randvoll. Die Türen des Haupteingangs sind weit geöffnet, die Gläubigen in der hintersten Reihe stehen mit den Fersen schon auf den Stufen, die zum Gehsteig hinabführen. Ein Teil des Nebeneingangs ist nicht überdacht, es hat geregnet, die Männer legen ihre Gebetsteppiche auf die regennassen Fliesen.

Um 12.59 Uhr beginnt das Freitagsgebet in der Großen Moschee von Paris. Das helle Gotteshaus mit dem grünen Dach liegt nicht in einem der Stadtteile, die hauptsächlich von Muslimen bewohnt werden, wie Barbès oder Belleville im Norden. Es liegt zentral im Quartier Latin, nur etwa drei Kilometer von dem Ort entfernt, an dem am Mittwoch zwei Männer einen Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo verübt haben. Für Pariser Verhältnisse ein Katzensprung.

Zwei Tage ist das Attentat nun her - an diesem Freitag bestimmt es auch das Mittagsgebet in der Großen Moschee. "Wir sind doppelt betroffen", wird Saloua Mammou später sagen. "Die Attentäter haben hier Menschen getötet, mitten in unserer Gesellschaft. Und dann ziehen sie auch noch den Namen des Islam durch ihre Tat in den Dreck". Die 45-Jährige ist mit ihrer Familie in die Große Moschee gekommen, wie jeden Freitag.

Jetzt hat sie das Gefühl, sich wieder rechtfertigen zu müssen. Dem Land und der Welt erklären zu müssen, dass der Islam nichts mit Terror zu tun hat, auch wenn die Terroristen ihre Tat mit dem ihrem Glauben begründet haben. Was ist das für ein Gefühl, wenn man gezwungen ist, diese Debatte immer wieder zu führen - obwohl die Familie seit vielen Jahrzehnten in Frankreich lebt, hier verwurzelt ist, sich an die Gesetze hält, wie alle anderen auch? "Es ist traurig", sagt Saloua Mammou, "wegen dieser Irren richten sich jetzt wieder alle Blicke auf uns. Aber ganz ehrlich: Wir haben uns daran gewöhnt".

"Laut herausschreien", dass das nichts mit dem Islam zu tun hat

Fast schon routiniert wirkt auch das Verhalten der großen muslimischen Verbände in Frankreich. Am Tag nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo haben sie eine gemeinsame Erklärung abgegeben. Sie empören sich über den Anschlag, haben an die Imame des Landes appelliert, in ihren Freitagspredigten Gewalt und Terrorismus zu verurteilen und eine Schweigeminute für die Opfer einzulegen. Sie halten die Gläubigen dazu an, sich an der großen Demonstration zu beteiligen, die am Sonntag im Zentrum von Paris stattfinden soll.

Es sei jetzt notwendig, "laut herauszuschreien", dass der Anschlag auf Charlie Hebdo nichts mit dem Islam zu tun habe, erklären der Vizepräsident des Islamrates und der Präsident der Vereinigung der islamischen Organisationen Frankreichs (UOIF) in einem Fernsehinterview.

Der Direktor der Großen Moschee, Dalil Boubakeur, kommt dieser Aufforderung am Freitag nach. Seine Stimme dringt laut durch die offenen Tore auf die Rue Georges Desplas. Für den Fall, dass irgendjemand trotzdem nicht genug hört, verteilen Helfer auf der Straße Handzettel. "Liebe Brüder und Schwestern, Assalamu Aleykoum", heißt es darauf, "es ist eine schwere Stunde für unsere Gemeinschaft." Man habe voll und ganz Teil an der Trauer, die das ganze Land erfasst habe. Die Große Moschee predige unermüdlich den Frieden, die Toleranz, die Brüderlichkeit und den Respekt für die Gesetze der Gemeinschaft.

Als das Freitagsgebet vorbei ist, strömen die Gläubigen auf die Straße. Eine Frau hält ein Schild, auf dem "Je suis Charlie" steht - die gängige Solidaritätsbekundung für die Opfer des Attentats. Darunter steht noch ein weiterer Satz: "Je suis Musulmane"- "Ich bin Muslima". Immer wieder reckt die Frau ihr Schild in die Luft.

Ein paar Jüngere ziehen sich erst auf dem Gehsteig die Schuhe an. "Islam bedeutet Frieden", rufen sie den Journalisten und Polizisten zu, die vor dem Eingang herumstehen. Sie wissen, dass sie diese Botschaft jetzt besonders betonen müssen.

Keine zwanzig Minuten nach dem Ende des Gebets kommen die ersten Nachrichten über eine Geiselnahme im Osten von Paris. Ein Komplize der Attentäter vom Mittwoch hat in einem jüdischen Laden um sich geschossen. Am Abend ist der Spuk, der die Stadt drei Tage lang in Atem gehalten hat, beendet: Die drei Terroristen sind tot. Für die Muslime in Frankreich hat die schwere Zeit womöglich gerade erst begonnen.

Grande Mosquee Paris, Erklärung

Grande Mosquee Paris, Erklärung

(Foto: Felicitas Kock)
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