Prozess in Freiburg:Selbstjustiz nach Vergewaltigung - Teenager vor Gericht

Lesezeit: 2 Min.

  • In Freiburg hat am Mittwoch der Prozess gegen einen 18-Jährigen begonnen.
  • Der Schüler soll im Juni vergangenen Jahres gemeinsam mit seinem Vater den mutmaßlichen Vergewaltiger seiner Schwester getötet haben.
  • Der Staatsanwalt spricht von einem besonders schweren und grausamen Fall von Selbstjustiz.

Schüler vor Gericht

Ein Schüler soll den mutmaßlichen Vergewaltiger seiner Schwester in einen Hinterhalt gelockt und getötet haben. Seit diesem Mittwoch muss sich der 18-Jährige mit seinem Vater wegen gemeinschaftlichen Mordes vor dem Freiburger Landgericht verantworten.

Die Polizei hatte wegen der Vergewaltigung einer jungen Frau gegen das spätere Mordopfer ermittelt. Der Mann tauchte jedoch unter, die Polizei konnte ihn nicht finden. Über soziale Netzwerke machte sich die Familie des Vergewaltigungsopfers auf die Suche - und wurde schneller fündig als die Polizei.

23 Messerstiche am ganzen Körper

Sechs Tage nach der Vergewaltigung sollen sie den Mann auf einen Pendlerparkplatz bei Neuenburg am Rhein südlich von Freiburg gelockt haben. Der damals 17-jährige Bruder des Vergewaltigungsopfers soll mit einem Messer auf ihn eingestochen haben. Zudem attackierte er den wehrlosen Mann der Anklage zufolge mit einem Schlagstock und einem Elektroschocker sowie mit Tritten und Schlägen.

Der Mann starb noch am Tatort, er hatte 23 Messerstiche am ganzen Körper, sagte Oberstaatsanwalt Eckart Berger beim Prozessauftakt. Er sprach von einem besonders schweren und grausamen Fall von Selbstjustiz. "Das Opfer hatte keine Chance." Es sei hilflos ausgeliefert gewesen. Die Angeklagten hätten Rache und Vergeltung üben wollen, so Berger. Es sei ihnen auch darum gegangen, "die vermeintlich verletzte Familienehre wiederherzustellen." Gleich nach der Vergewaltigung sei es zu dem Entschluss gekommen, den Verdächtigen zu töten.

"Die Sache ist aus dem Ruder gelaufen"

Sohn und Vater haben die Tat nach ihrer Festnahme gestanden. Einen Plan hätten sie zuvor jedoch nicht ausgearbeitet, sagte der Verteidiger des Jungen. Der Schüler habe im Affekt gehandelt. "Er war in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit, die Sache ist aus dem Ruder gelaufen."

Neben den beiden Hauptangeklagten stehen zwei mutmaßliche Komplizen, 19 und 21 Jahre alt, vor Gericht. Sie sollen geholfen haben, indem sie das Treffen organisierten und das Opfer festhielten, als es attackiert wurde.

Nach der Verlesung der Anklage wurde der Prozess unterbrochen. Der Grund: Staatsanwaltschaft, Gericht und Rechtsanwälte hatten den Schlussbericht der Polizei erst am Tag vor dem Prozessauftakt erhalten und konnten sich nicht ausreichend vorbereiten. Weiter verhandelt werden soll nun am 20. April. Bislang sind 18 Verhandlungstage angesetzt, sagte ein Sprecher des Gerichts. Gehört werden sollen 38 Zeugen und vier Sachverständige. Mit einem Urteil wird Mitte Juli gerechnet. Die Familie des Getöteten tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf.

© Süddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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