Im Fall des jahrelang missbrauchten Jungen aus dem Raum Freiburg gibt es neue Hinweise auf Versäumnisse der Behörden. Die Familiengerichte hätten das Kind bei der Entscheidung, es wieder in die Familie zurückzugeben, nicht angehört, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Freitag. Auch sei für den heute neun Jahre alten Jungen kein Verfahrensbeistand bestellt worden.
In der vergangenen Woche hatten Ermittler in Baden-Württemberg die Zerschlagung eines Pädophilenrings bekannt gegeben. Zu den Festgenommenen zählen die Mutter des Kindes und ihr Lebensgefährte, der bereits einmal wegen Kindesmissbrauch verurteilt war. Er gilt als stark rückfallgefährder Sexualstraftäter und hätte eigentlich keinen Kontakt zu dem Kind haben dürfen. Das Paar soll den Jungen zwei Jahre lang selbst missbraucht und es im Internet anderen zum Missbrauch angeboten haben. Im März vergangenen Jahres wurde dem Jugendamt Breisgau-Hochschwarzwald über die Polizei bekannt, dass sich ein Pädophiler im Umfeld des Kindes aufhält und nahm den Jungen in Obhut. Einen Monat später wurde er aber wieder zu seiner Mutter zurückgeschickt. Nun wird diskutiert, warum die Behörden den Missbrauch des Jungen damals nicht erkannten.
Laut FAZ hatten Familienrichter am Landgericht Freiburg und am Oberlandesgericht Karlsruhe gegen eine Inobhutnahme des Kinds entschieden, weil sie keine Anhaltspunkte für einen sexuellen Missbrauch erkennen konnten. Die Richter seien nach Angaben einer Sprecherin nicht von einer Gefährdung des Kindeswohls ausgegangen, weil sich der Lebensgefährte zuvor nur an Mädchen vergangen hatte.
Die Mutter hätte das für ihren vorbestraften Lebensgefährten verhängte Kontaktverbot kontrollieren müssen. Stattdessen stellte sich nach Behördenangaben später heraus, dass sich die Frau aktiv am Missbrauch ihres Sohns beteiligt hatte. Ihren Lebensgefährten hatten Ermittler bereits früher im Visier. Schon 2016 sei gegen den heute 39-jährigen ermittelt worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Freiburg am Freitag. Er bestätigte damit Informationen von Spiegel TV. Im Mai 2017 habe die Behörde Anklage erhoben, zum Prozess sei es aber nicht gekommen. Damals sei es um den Besitz von kinderpornografischem Material gegangen. Fahnder waren im Internet darauf aufmerksam geworden. Hinweise auf die vielfachen Vergewaltigungen des heute Neunjährigen habe es damals nicht gegeben. Diese seien erstmals im September 2017 gekommen.
In der Debatte über Konsequenzen aus dem Missbrauchsfall forderte der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, Joachim Lüblinghoff, die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz. "Damit wäre viel gewonnen", sagte er im Hessischen Rundfunk und ergänzte: "Das wäre eine Regelung, die weitgehende Bedeutung hätte - aufgrund der Strahlkraft des Grundgesetzes.