Süddeutsche Zeitung

Freiburg:Pfadfinderbetreuer wegen hundertfachen Kindesmissbrauchs angeklagt

  • Ein Pfadfinderbetreuer soll sich im Laufe von acht Jahren an vier Jungen, die zwischen sieben und 14 Jahre alt waren, fast 700 Mal vergangen haben.
  • Nicht alle der Jungen lernte er bei den Pfadfindern kennen.
  • Gegen ihn war schon einmal wegen Kindesmissbrauchs ermittelt worden - damals wurde er jedoch freigesprochen.

Ein Pfadfinderbetreuer ist in Freiburg wegen hundertfachen sexuellen Missbrauchs angeklagt worden. Der 41-Jährige soll sich zwischen 2010 und 2018 an vier Jungen vergangen haben, so die Staatsanwaltschaft Freiburg. Ihm werden 696 sexuelle Übergriffe zur Last gelegt. Die Jungen seien zum Zeitpunkt der Übergriffe zwischen sieben und 14 Jahre alt gewesen. Der Mann befindet sich in Untersuchungshaft.

Dem 41-Jährigen wird vorgeworfen, bei den Pfadfindern einen anfangs sieben Jahre alten Jungen in 131 Fällen schwer sexuell missbraucht haben. In einem weiteren Fall soll er einen zu Beginn der Taten achtjährigen Jungen in fünf Fällen sexuell missbraucht und in neun Fällen schwer sexuell missbraucht haben. Auch diesen Jungen habe er im Rahmen seiner Arbeit bei einer Pfadfindergruppe kennengelernt. Diese Taten sollen zwischen 2010 und 2013 passiert sein.

Zwischen Januar 2014 und Februar 2017 werden dem einstigen Betreuer weitere 480 Fälle des sexuellen Missbrauchs sowie 69 Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs zur Last gelegt. Das Opfer in diesen Fällen sei zu Beginn der Taten elf Jahre alt gewesen. Später soll der Angeschuldigte sich an einem Jungen vergangen haben, den er auf einem Campingplatz nahe Freiburg kennengelernt habe.

Der Mann stand bereits wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht

Es ist nicht das erste Mal, dass der Mann wegen Sexualverbrechen an Kindern im Blick der Polizei stand. Gegen den 41-Jährigen war in den Jahren 2004 bis 2007 schon einmal wegen Kindesmissbrauchs ermittelt worden. "Es stand damals Aussage gegen Aussage", erklärte damals die Staatsanwaltschaft. Der Mann wurde freigesprochen.

Die Gefahr, dass es bei dieser Verhandlung wieder zu so einer Patt-Situation komme, sei gering, sagte Staatsanwalt Ralf Langenbach: "Wenn es mehrere Geschädigte gibt, hat das einen besseren Beweiswert." Eine Schwierigkeit sei allerdings, dass die Fälle schon länger zurückliegen. Zuerst müsse zudem das Landgericht Freiburg entscheiden, ob es die Anklage zulässt. Dann wird der Prozessbeginn festgelegt, "vermutlich noch dieses Jahr".

Die Ermittler kamen auf die Spur des Verdächtigen, nachdem die Mutter eines heute 17-Jährigen Anzeige erstattet hatte. "Er hat sich die Kinder gezielt ausgesucht", sagte Chefermittler Mathias Kaiser. Er habe sie unter Druck gesetzt. "Es kam pro Opfer zu mehreren Übergriffen wöchentlich." Die Kinder seien bis heute schwer traumatisiert, sie litten unter "enormen, psychischen Belastungen".

Bei dem Mann handelt es sich um einen früheren Mitarbeiter der evangelischen Kirchengemeinde Staufen, bestätigte die Evangelische Landeskirche in Baden im Mai, als die Fälle bekannt wurden. Er arbeite aber seit mehreren Jahren nicht mehr dort.

Derweil gehen die Ermittlungen gegen einen 27-Jährigen weiter, der ebenfalls verdächtigt wird, sich in Staufen an Kindern vergangen zu haben. Beide Männer waren zeitweise ehrenamtliche Betreuer der örtlichen evangelischen Pfadfindergruppe. Für ein gemeinschaftliches Vorgehen der beiden Männer gebe es allerdings keine Anhaltspunkte, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft auf Anfrage. Daher seien die Ermittlungen gegen die beiden Deutschen separat geführt worden. Ob und wann die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den 27-Jährigen erhebt, war am Mittwoch noch nicht absehbar.

Staufen, eine knapp 8300 Einwohner zählende Stadt südlich von Freiburg, war zuletzt durch den jahrelangen Missbrauch eines Kindes überregional in den Schlagzeilen. Ein heute zehn Jahre alter Junge war von seiner Mutter und ihrem Lebensgefährten Männern zum Vergewaltigen überlassen worden. Mit diesem Verbrechen habe der jetzige Fall aber nicht zu tun, so die Ermittler.

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