Endingen bei Freiburg:Lkw-Maut hilft Ermittlern im Mordfall Carolin G.

Collage

Die 27-jährige Carolin G. kehrte Anfang November nicht vom Joggen zurück, Polizisten entdeckten ihre Leiche ein paar Tage später. Mit einem Phantombild fahndeten die Ermittler nach dem Mörder der jungen Frau.

(Foto: Polizeipräsidium Freiburg)
  • Die Polizei hat einen 40 Jahre alten Fernfahrer festgenommen, der im November 2016 die Joggerin Carolin G. in Endingen bei Freiburg getötet haben soll.
  • Der Mann soll im Januar 2014 bereits in Österreich eine Frau vergewaltigt und erschlagen haben.
  • Die Freiburger Ermittler werteten Maut-Daten aus Österreich aus, zudem hatte die Polizei Kufstein die Tatwaffe gefunden.

Von Stefan Mayr, Endingen

Der mutmaßliche Mörder der Joggerin Carolin G. aus dem baden-württembergischen Endingen ist gefasst. Ein halbes Jahr nach der Tat wurde am Freitagnachmittag ein 40 Jahre alter Fernfahrer an seinem Arbeitsplatz in der Region Freiburg festgenommen. Die Ermittler werfen ihm noch ein weiteres Tötungsdelikt vor: Bereits im Januar 2014 soll er im österreichischen Kufstein eine 20-jährige französische Studentin vergewaltigt und erschlagen haben. Dies teilten die Polizei Freiburg und das Landeskriminalamt Tirol am Samstag gemeinsam mit.

Die Pressekonferenz fand unter außergewöhnlichen Umständen statt. In der Stadthalle Endingen saßen neben zahlreichen Journalisten auch mehr als 200 Einwohner des beschaulichen Städtchens, das in der Nähe des Kaiserstuhls von Weinbergen umgeben liegt. In einem dieser Weinberge war die 27-jährige Carolin G. überfallen und getötet worden. "Seit November habe ich mich nicht mehr getraut, alleine joggen zu gehen", sagte Gaby Henninger, die in die Stadthalle gekommen war. Die 44-Jährige hatte wie fast alle Endinger das Opfer persönlich gekannt.

Bürgermeister Hans-Joachim Schwarz fasste die Gefühle der Bewohner so zusammen: "Da fällt uns ein ziemlich großer Stein vom Herzen, aber unter diesem Stein bleibt die Wunde noch sichtbar, die wir noch lange mit uns herumtragen werden."

Die Sonderkommission "Erle" war dem mutmaßlichen Täter durch eine intensive Zusammenarbeit mit den Kollegen des Tiroler Landeskriminalamtes auf die Spur gekommen. In Kufstein war im Januar 2014 ein ähnlicher Mord passiert - ebenfalls in Autobahnnähe, ebenfalls an einem Sonntag mit Lkw-Fahrverbot. Zudem hatten Taucher der Polizei Kufstein im Inn die Tatwaffe mit Blutspuren des Opfers gefunden - eine Hubstange aus Eisen, die zum Kippen von Lkw-Führerhäusern verwendet wird.

Die Freiburger Ermittler werteten die Mautdaten der österreichischen Behörden aus. Den Datensatz mit 50 000 Lkw filterten sie nach der Standzeit der Fahrzeuge zum Tatzeitpunkt in Tatortnähe. Zudem konnten sie die Eisenstange einer bestimmten Lkw-Marke zuordnen. Alle nun noch in Frage kommenden Speditionen wurden von der Soko angeschrieben.

Am Mittwoch dieser Woche kam die entscheidende Antwort von einer Firma aus der Region: Einer ihrer Fahrer war in der Mordnacht 2014 in Kufstein unterwegs gewesen, er wohnte im Großraum Freiburg und sein Handy war in der Nacht zum 6. November 2016 dort eingeloggt, wo Carolin G. getötet wurde. Mit diesen Erkenntnissen ausgestattet, kontaktierte die Polizei den 40-jährigen Fernfahrer.

"Wer zwei Mal so bestialisch mordet, dem ist freilich mehr zuzutrauen"

Am Donnerstag nahm sie eine Speichelprobe. Am Freitag stand das Ergebnis fest: Die DNA des Mannes passt zu den Spuren an den Opfern von Endingen und Kufstein. Der nicht vorbestrafte Verdächtige wurde am Freitag festgenommen, das Amtsgericht Freiburg erließ Haftbefehl wegen dringenden Tatverdachts auf Vergewaltigung und Mord.

Der Verdächtige, über dessen Identität die Polizei keine weiteren Angaben machte, wurde ausführlich vernommen. Er bestreitet die Vorwürfe.

Am Ende der einstündigen Pressekonferenz spendeten die Bürger kräftigen Applaus. "Ich bin sehr erleichtert", sagt Gaby Henninger. Aber ob sie sich nun sogleich wieder alleine Joggen traue, konnte sie noch nicht sagen. "Das braucht wohl noch Zeit, es sitzt alles noch so tief."

Ähnlich äußerte sich der Freiburger Polizeipräsident Bernhard Rotzinger: "Ich hoffe jetzt, dass unsere Region wieder mehr zur Ruhe kommen kann und das verletzte Sicherheitsgefühl sukzessive wieder heilen kann."

Per Pressemitteilung meldete sich am Samstag auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) zu Wort. Er fordert, dass auch die deutsche Polizei künftig wie die Kollegen in Österreich Mautdaten zu Ermittlungszwecken nützen darf. "Die Aufklärung dieser schlimmen Morde zeigt: Wir müssen unseren Ermittlungsbehörden die notwendigen Instrumente an die Hand geben, um allen Spuren und Hinweisen auch konsequent nachgehen zu können." Wie wichtig dies sein kann, habe der Fall aus Endingen gezeigt. Strobl: "Diese Diskussion müssen und werden wir in Deutschland, und auch in Baden-Württemberg, in aller Offenheit und Klarheit führen."

Zudem kündigte Strobl weitere europaweite Ermittlungen an: "Wer zwei Mal so bestialisch mordet, dem ist freilich mehr zuzutrauen", sagt Strobl. Deshalb werde nun auch international geprüft, "ob der Kriminalpolizei ein Serienmörder ins Netz gegangen ist."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: